Remaraweng Boarisch

Grammatik

Richtungsadverbien (Teil II)

 

Richtungsadverbien bestehen im Bairischen aus zwei Teilen. Es handelt sich um sogenannte deiktische Ortsadverbien (von griechisch δείκνυμι, „zeigen“ und gesprochen de-iktisch, und bedeuten 'hinweisend') , weil diese sich immer auf den jeweiligen Sprecher-Standort beziehen.

Vorn steht, mit Betonung, die Angabe der Richtung

(z.B. auf-hin [auffi], ab-hin [obi], zu-her [zua, durch-hin [duri] etc.).

Der nachgestellte Wortteil zeigt dann die Perspektive des Sprechers an:

entweder

"-a" (Bewegung zum Sprecher her)
(z.B. auf-her
[auffa], ab-her [oba], zu-her [zua] etc.).

                                              oder

"-e" oder "-i" (vom Sprecher hin oder weg).
(z.B. auf-hin
[auffi], ab-hin [obi], zu-hin [zui] etc.).

Dabei fällt zunächst auf, daß die beiden Wortteile im Deutschen andersherum angeordnet sind:

Das "her" und das "hin" werden schriftdeutsche voran-, das bairische "-a" und das "-e" dagegen nachgestellt.


Diese
deutsche Wortstellung kommt im Bairischen nur zur Hervorhebung oder zur Verdeutlichung eines Gegensatzes vor.
Dann werden 'hea(r)-' und 'hii(n)-' vorangestellt und auch betont.

Beispiel: Owa soisd graggsln- ned hiinauf!. (Du sollst herab kraxeln, nicht hinauf″)

Bemerkenswert ist darüber hinaus, daß einige Richtungsadverbien im Deutschen - und erst recht im Englischen - weitaus unpräziser gebildet werden:

Ein "raus" oder "out" kann sowohl "heraus" als auch "hinaus" bedeuten. Das Bairische dagegen ist hier immer sehr exakt.

Zu beachten sind allerdings einige Sonderformen und Dialektunterschiede.

Und bitte, bitte, gehen Sie niemals
hoch. Das können Sie eh nicht, außer Sie sind es schon, z.B. Sie fliegen bereits in einem Flugzeug und sind bereits am Berggipfel. Warum?

Das Wort „hoch“ ist ein Eigenschaftswort, also ein Adjektiv (das nur ein ein Hauptwort, d.h. ein Substantiv beschreiben kann) und kein Adverb oder oder Umstandswort (das mit einem Verb verwendet wird).

Ein Berg kann hoch sein (weil er groß bzw. hoch ist), aber man kann ihn nicht „hochgehen". Man kann ihn auf Hochdeutsch „hinaufgehen", „hinaufklettern", „emporsteigen", „besteigen" oder in der Mundart „aufikraxln", aber man kann ihn genauso wenig „hochgehen" als wie „tiefgehen".

Man kann auch nicht z.B. „hochschauen″ oder noch schlimmer „hochkucken″, weil das „hoch″ hieße nur, dass man „in der Höhe″ wäre, nicht die Richtung, wohin man blickt. Man kann nur hingegen „hinaufschauen″ (bairisch „auffischaung″) vielleicht sogar etwas erhoben ausgedruckt „emporschauen″.

Das ist nicht korrektes Hochdeutsch, sondern schlichtweg norddeutscher Slang.

 

Schriftsprache

Bairisch

städtisch (Vulgo)

'städtisch'

'ländlich'

betont
(Emphase)

ab

herab

runddà

åwà (oba, ååwa), ocha, o’a, oha (ååha),

he

runter

hinab

nunddà

obi (åbi, (ååhe, owi, ochö, o’ö), ohe (ååhẹ),

hi

runter

an

heran

heà

onà

 

her

hinan

h

oni, ona, one

o(ncha / o(n)chö

hin

auf

herauf

rauf

auffà (auffa)

herauf

rauf

hinauf

nauf

auffi, auffe

hinauf

rauf

aus

heraus

raus

aussà, aua

he raus

raus

hinaus

naus

aussi (ausse, außi, auße), aui, auh

hinaus

raus

durch

hindurch

 

durchi / duri / durchi

 

 

querdurch

 

übäcks

 

 

ein

herein

rej

einà

herej

rein17

hinein

nej

eini

hinej

rein

hier

hierher

 

zuawa (zuabi), dona

 

 

hierhin (hinzu)

 

zuawi (zuabi), zuaha, zuba, zuwa, doni

 

 

über

herüber

riwà

ummà

herum

rüber

hinüber

niwà

ummi

hinum

rüber

unter

herunter

runddà

åwà (oba)/ rå

herunddà

runter

hinunter

nunddà

åwi (obi/owi) / nå

hinunddà

runter

vor

hervor

voà

firà, vüara, fiara, vircha

 

raus

nach vorne

voà

firi, viecha, vieché

 

 

vorbei

 

vie

 

 

zu

herzu
(vom Sprecher weg)

heà

zuàrà / zuàwà

hera, heàzuà (=herwärts)

 

hinzu

zuàri / zuàwi

hizuà (=hinwärts)

hin


 Aufstellung der Richtungsadverbien (d.h. in Kombination mit einem Verb) im Bairischen nach Merkle (1996) §30,
erweitert um standardsprachliche Ausdrücke sowie Ausdrücke fürs Gesamtbairischengebiet (Bayern, Österreich, Südtirol)

 

Schriftsprache

Bairisch

unten

hier unten

herundd (herunt), herunddn

drunten

drundd, drunddn

unten, darunter

unt, ünt, unta, ünta, unten, unter

unterhalb, darunter

unta, ünta, üntasi, untasig, üwaschi, untaschi,

intabei, intaschn

oben

oben

obm, om, ommat

oberhalb, darüber

übasi (übasig, überschi) (Betonung auf 1. Silbe)

hier oben

heroom, herooma, heroomád (herober = der heroben), obmad, omad

droben

droom, droomá, droomád

außen

hier außen

herauss (herauß), heraussn, heraussd, (herausser = der draußen)

draußen

drauss, draussn, draussd, drausst, daußt

bei

nahe bei

hibei

innen

hier innen

herin, herinn, herinná, herinnád,

innen, im Innern

inn, innat, dinnat

drinnen

drinn, drinná, drinnád, drinnát, innbei

innerlich

eiwendi

üben

herüben

heriim, heriimá, heriimád, herendd (herent), herenddn (herentn), herenhö, herehö, heröhint, herantadahoi (Salzk.)

drüben

dodant, driim, driimá, driimád, endd (ent), entad,  enddn, drennd (drent), drenddn (drentn), ehö, enhö, öhint, entadahoi (Salzk.), hiban

über

darüber, drüber

iwasig

hinüber, vorüber

hinum

herüberhalb

herenterhoib

vorne

hier vorne

heávoán (hervorn), heávoáná, heávoanád

da vorne

voán, voána, voánád, dåvoán, dåvoáná, dåvoánád

hinten

hinten

hint

hier hinten

heáhindd (herhint), heáhinddn, dåheáhindd, dåheáhinddn

da hinten

hindd, hinddn, dåhindd, dåhinddn

nach hinten

hintari

hinten drüben unten

hintentunt

hinten liegend hintabei
"hinterhin" hintri
zurück nach hinten. Zu jemandem, der sich in einer Warteschlange nach vorne drängelt sagt man am besten "Geh hintri!"

hinten herum

hintumi

über

gegenüber

vis-á-vis

innen

innerhalb, innen

drinn, drein, inn

drinnen, darinnen

dinn

her

herum

umadum

rund herum

rundumadum


 Aufstellung der Richtungsadverbien im Bairischen nach Merkle (1996) §30, erweitert um sprachliche Ausdrücke fürs Gesamtbairischengebiet

 

 

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Seite zuletzt aktualisiert am 4. Dezember 2012

 

Copyright geschützt - Marc Giegerich

 

 

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