Remaraweng Boarisch

Aussprache - Abriss der bairischen Grammatik

Teil I - Lautlehre

 

von Prof. Ludwig Zehetner

 

 

 ~ Vokale ~

 

  

§ 8

 

 

Vokale (Selbstlaute) – Übersicht 

 

Einfache Vokale (Monophthonge): siehe § 9 (Nr. 1 – 9) und § 13

 

                                               i –  –  –  –  –  –  –  –  –  – u  

                                       \   ĕ                                 /

                                        e                                 o

                                          \                                /        

                                           è = ä                   ò

                                             \                        /

                                               \                   å

                                                 \               /

                                                    – à  ă         

 

                                                               

 

Zwielaute (Diphthonge): siehe § 10 (Nr. 10 – 17); § 11 (Nr. 18 – 27); § 12 (Nr. 34 – 37)

 

fallende                                                           steigende

 

ia      (hsprl. nicht vorhanden)                ài        (heller als  hsprl. ei, ai in frei, Mai)

ea     (hsprl. nicht vorhanden)                àu        (heller als  hsprl. au in Haus)

oa     (hsprl. nicht vorhanden)                èi = äi   (hsprl. nicht vorhanden)

ua     (hsprl. nicht vorhanden)                ei = êî   (hsprl. nicht vorhanden)

                                                        òi          (wie hsprl. eu, äu in Heu, Häuser)

                                                        oi          (hsprl. nicht vorhanden)

                                                        ui          (wie hsprl. ui in pfui)

 

  

Nasale Vokale

Zu fast allen einfachen Vokalen und Zwielauten gibt es auch genäselte Varianten: siehe § 12 (Nr. 28 – 37).

  

 

§ 9

 

Einfache Vokale (Monophthonge)

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

  

a

„a, aa, ah“

 

à

 

 

 

 

 

  

 

 

ă

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

à

 

 

 

1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das überhelle à ist eine der auffälligsten Kennlautungen des Bairi­schen in Altbayern.

Es kommt dem englischen [æ] recht nahe: die bairische Namensform Kàthl klingt fast wie engl. cattle. –

Zahlreiche Fremdwörter werden mit hellem à gesprochen. Traditione­l­le Vornamen haben å (z.B. Ålexånder), jüngere eher à (z.B.  Sàschà). –

Bemerkenswert sind die unterschied­lichen a-Laute  in Wörtern wie Tàxi­fåhrer, Lådenkàsse, Stååts­exàmen, Stàrtbåhn, Någellàck, Gàsflåsche

u.a.m.  

 

Überhelles à ist auch erster Bestand­teil der Zwielaute ai, au sowie zweiter Bestandteil in ia, ea, oa, ua (s. u. bei den Zwielauten).

Es tritt in unbetonten Silben als sog. Schwa-Laut auf (z.B. im unbe­stimm­ten Artikel a, an), in Vor- und End­silben (z.B. dăfàid, ădiam, kem­mă, Wintă).

Um Missvertändnisse zu vermeiden –auf einer unbetonten Nebensilbe irri­tiert ein Akzent  –,  wird hier nicht der Gravis-Ak­zent gesetzt, sondern das Zeichen ă.

  

Kàsse

Spàss

Gàs

Tàxi

Exàmen

bàssn

ràckern

gràntig

Bààz

bàtzig

Kàmpǐ, Kàmpl

stràwànzn

Ràhm-

     schwàmmerl

Ràbàrwă-

     màrmàlàd

Kasse

*Spaß

Gas

Taxi, *Taxe

Examen

passen

rackern

 (übellaunig)

(Schlamm)

(schlammig)

Kamm

(streunen)

(Pilze in *Sahne-

         soße)

Rhabarber-

         marmelade

 

ä

„ä, äh“

Kàs

Ràdl

Hàx, Hàxn

stààd

i wàr

sie dàd

ea kàm

schàmă

Màxl, Màxĕ

nàhn

màhn

Làmperl, -ăl

Làmperl, -ăl

bàrtig

gàch

zàch

Käse

Rädlein (=Rad)

(Bein, Beine)

(ruhig, still)

ich wäre

sie täte

ich käme

schämen

*Mäxchen

nähen

mähen

*Lämpchen

Lämmlein

bärtig

(jäh)

(zäh)

 

e

„e, ee, eh“

dràhn

zàrn

lààr

schwàr

Schàr

Hàring

Àrding

drehen

zerren

leer

schwer

Schere

Hering

Erding (Stadt)

 

au

àà

kàmm

làffă

glàm

Bàm

Dràm

auch

kaum

laufen

glauben

Baum

Traum

 

äu

eu

Bàm

dràmmă

vasàmmă

štrààn

Bäume

träumen

versäumen

streuen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a

„a, aa, ah“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

å

 

 

2

Das normale a klingt in Altbayern deutlich dunkler als in der Hoch­sprache (oder im Schwäbischen oder in der österreichischen Verkehrs­sprache).

Auch bei beabsichtigter hoch­sprach­licher Lautgebung (etwa beim Lesen)  tendiert es in Richtung offenes  ò.  

 

Straße, Stråss

Gasse, Gåss

Apfel, Åpfĕ

lassen, låssn

Schrank

Fahnenstange

      (Fåhnăstång)

Vater, Våtă

Tråmbåhn

Ådventåndåcht 

Wenn ein Altbayer solche Wörter ausspricht, meint er, es sei Hochlautung.

In Umgangs­sprache und erst recht im Dialekt klingt der a-Laut merklich dunkler.

 

 

Straße

Gasse

Apfel

lassen

Vater

Gabel

Nadel

(Näherin)

Laden

baden

(Hafer)

Salat

er hat

(hinab, hinunter)

(herab, herunter)

 

ò

 

 

3

 

In mundartnaher ländlicher Sprech­weise klingen die a-Laute stärker ver­­dumpft und nähern sich noch mehr dem o.

Unterschiedliche Lautwerte für a weisen manche Komposita auf, wie etwa Bròd­hàring, Schwårtnmòng, Kààs­šbòzn „Brathering, Schwarten­magen, Käse­­spätzle“.

 

Offener o-Laut (wie  hochsprach­lich nur bei kurzem Vokal, z.B. in „Rock, Pfosten“) kommt in den Mund­arten nur vor als Entsprechung für hoch­sprach­liches  a. 

Stråss, Stròss

Gåss, Gòss

Åpfe, Òpfe

låssn, lòssn

Våddă, Vòdă

Gòwǐ

Nòdl, Nòl

Nòdărĕn

Lòòn

bòòn

Hòwăn

Sòlòd

er hòd

òwĕ, nò

òwă, rò

 

o

  

 

4

 

 

In manchen Regionen wird mundart­lich ein ursprüngliches a vo­ll­­ends als geschlossenes o artikuliert. 

 

owĕ, no

owă, ro

do honĕ  

(hinab, hinunter)

(herab, herunter)

da habe ich

 

e

„e, ee, eh“

 

 

è, ä

 

5

 

Offener e-Laut wie  hochsprach­lich nur bei kurzem Vokal, z.B. in „Hecke, Messer“. – Im Bairischen tritt offenes è unab­hängig von Länge oder Kürze des Vokals auf. – Die Verteilung von offenem und ge­schlossenem e (è – e)  variiert regio­nal.

In Wörtern wie „weh, Schnee, bös“ finden sich auch Zwielaute, z.B.

weah (südbairisch), Schnäi, bäis

(nordbairisch).

 

Schnèck (der)

Stèckă

Fèttn (die)

bèttn

i stèh

ea gèht

sèng

wèh

Rèh

Schnèè

Lättn

Lädschn 

(die) Schnecke

Stecken, (Stock)

(das) Fett

beten

ich stehe

er geht

sehen

weh

Reh

Schnee

(Schlamm)

(Mund, Gesicht)

 

ö

„ö, öh“

 

Der Umlaut ö wird lautgesetzlich entrundet zu e.

 

bläd

bäs

i mächt

grässă

stässn

blöd(e)

böse

ich möchte

größer

stoßen (stössen)

 e

„e, eh“

 

 e

 6 

Geschlossener e-Laut wie  hoch­sprach­lich nur bei langem Vokal, z.B. in „Weg, stehen“. – Im Bairi­schen tritt geschlossenes e unab­hängig von Länge oder Kürze des Vokals auf. – Die Verteilung von offenem und ge­schlossenem e vari­iert regional. –

 

Zur verkehrs­sprach­lichen Artiku­lation von unbetontem -e in „bitte, danke“ usw.  siehe § 15.5.

 

Weg

bessă

wettn

Messă

Weedă

Bettn, Bettă

drent

gweesn, gwen

Scheef 

Weg

besser

wetten

Messer

Wetter

Betten

(jenseits)

gewesen

Chef

 (siehe § 15.5) 

 ä, a

 

Basisdialektal kann geschlossenes e einem hochsprachlichen a oder ä ent­sprechen. 

Epfĕ

Hent

Benk, Beng

Gens

Äpfel

Hände, Hand

(Sitz-) Bank

Gänse 

 o

„o, oh“

 o

 7

Geschlossener o-Laut wie  hoch­sprach­lich nur bei langem Vokal, z.B. in „Rose, tot“. – Im Bairischen tritt geschlossenes o unabhängig von Länge oder Kürze des Vokals auf. Daher weisen „Ofen“ und „offen“ den gleichen o-Laut auf.

Im Norden des Nordbairischen hört man Huasn, Uafm für „Hose, Ofen“. 

Brockă

Gondl

off, offă

Heagod

Stoog

Roog

Bostn

Hosn

Brocken

Gondel

offen

Herrgott

(Wurzel-) Stock

Rock

Posten

Hose

 u

„u, uh“ 

 u

8

Unabhängig von Länge oder Kürze des Vokals wird u immer geschlos­sen ausgesprochen (wie in der Hochsprache nur bei langem Vokal, z.B. in „Ruhe, Tugend“).

ă Hund

d Hunt

lustig

Buttă (der)

Buckl

Gšpusĕ, Gšpusi

ein Hund

die Hunde

lustig

(die) Butter

Buckel (Rücken)

(Geliebte/e)

ü 

 

Vor „schwerer Konsonanz“  wie  pf und ck (alte Affrikata ckch) ist die Um­lautung  unter­blieben.

 

hupfă

lupfă

buckă

ruckă

zruck

Gruckă

druckă

(*hüpfen)

(*lüpfen)

(*bücken)

(*rücken)

(*zurück)

(*Krücke)

(*drücken)

 

o, ö

 

In den Basisdialekten ist mhd. u oft erhalten geblieben, während es  in der Hochsprache zu o oder ö gesenkt wurde (nach Maßgabe mittel­deutscher Mundarten): mhd. sunne, gunnen usw., aber hochsprachlich Sonne, gönnen usw.

druckă

Summă

Sunn, Sună

Sundă

gună

i kunnt

umăsunst 

trocken

Sommer

Sonne

Sonntag

gönnen

ich könnte

umsonst

 i

„i, ie 

 

i

  

 

9

  

Unabhängig von Länge oder Kürze wird der Vokal  i immer geschlossen ausgesprochen (wie in der Hoch­sprache nur das lange i,  z.B. in „Bibel, Wiese, ihnen“).

Wiisn

Miisd

Wiisch

Listn

Wintă

finstă

Binkl

Wiese

Mist

Wisch (Formular)

Liste

Winter

finster

(Beule)

 ü

„ü, üh“

Der Umlaut ü wird lautgesetzlich entrundet zu i.

In relativ jungen Wörtern wie „Schüler, Müll“ tritt die Entrun­dung nicht auf.

 

 

Nur im südlichen Oberbayern gilt  ins < üns „uns“

Hittn

Kiwĕ

Kiawis

Schlissl

gsindă

Sint

Grippĕ, Grippl

Kini, Kinĕ

 

ins, dă insă

Hütte

Kübel

Kürbis

Schlüssel

gesünder

Sünde

Krüppel

(König; mhd.

        künec)

uns, der unsere

 

 

  

 

§  10

 

Zwielaute (Diphthonge)

 

Bei den folgenden Lauten handelt es sich um einfache Phoneme, d.h. auch die fallenden Zwie­laute ia, ua, oa gehören zu einer (!) Silbe. Bairisch Dia, Hias, hoaß, koa, Moar („Tür, (Matt)hias, heiß, kein, Meier“) sind einsilbige Wörter und daher nicht trennbar – im Gegen­satz zu zweisilbigen Wörtern wie hochsprachlich Di|a, (E)li|as, Hi|at, Sto|a, Go|ar.

Die Verschriftung mit ia, ua, oa, ea; ai, au stellt eine Vereinfachung dar; korrekt müsste stehen:  iă, uă, oă, eă, êă; àĕ, àŭ.

 

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

i

„ie, ieh, i“

 

 

 

ia

 

 

10

Einem hochsprachlichen langen i, geschrieben „ie“ oder „ieh“,  kann im Bairischen der Diphthong ia entsprechen. Eine Herleitung aus der Hochsprache ist nicht möglich. Aus­schlaggebend ist, welche Lautung das jeweilige Wort  im Mittelalter hat­te, wenn also mittelhoch­deutsch ie zu­grunde liegt – nicht aber einfaches i wie etwa in „Wiese, liegen“.

– In den  nordbairischen Mund­arten tritt  statt mittelbairisch ia der „gestürzte Di­phthong“ äi auf,  z.B. wäi, läib, Läicht „wie, lieb, Licht“; für „schießen“ z.B. kommen neben schäissn auch Varianten wie schoissn, schuissn  vor, z.B. im Bayerischen Wald.

wia, nia

Liad

liab

Fliang

biang

schiassn

sian

ziang

Liacht

wie, nie

Lied

lieb

Fliege

biegen

schießen

sieden

ziehen

Licht (mhd. lieht)

 

ü

„ü, üh“

Mittelhochdeutsch üe ist laut­gesetz­lich ent­rundet zu ia.

– In den  nordbairischen Mundarten tritt der „gestürzte Diphthong“ äi auf, z.B. mäid, Fäiss, Käichl „müde, Füße, Küchel“; für „fliegen“ im Bayerischen Wald auch fluing, floing.

 

miad

miassn

biassn

Fiass

siass

Bliah

Kiachĕ

Riassl

Riappĕ

liang 

müde

müssen

büßen

Füße

süß

(Blüte)

Küchel

Rüssel

Rüpel

lügen 

 

u

„u, uh“

 ua

 11

Einem hochsprachlichen langen u, ge­schrieben „u“ oder „uh“,  kann im Bairischen der Diphthong ua ent­sprechen. Eine Herleitung aus der Hochsprache ist nicht möglich. Aus­schlaggebend ist, welche Lautung das jeweilige Wort im Mittelalter hatte, wenn also mittelhoch­deutsch uo zu­grunde liegt, nicht aber einfaches u. – In den  nordbairischen Mundarten tritt statt mittelbairisch ua der „ge­stür­zte“ Di­phthong ou auf,  z.B. Fouß, houstn, i mou „Fuß, husten, ich muss“.

Bua

Muattă, Muadă

Fuadă

Kuah

Fuaß

Schuah

Schuastă

huastn

gnua

Gruam

Kuachă

i muaß

sie duad

Guatl  

Bub (*Junge)
Mutter

 

Futter; Fuder

Kuh

Fuß

Schuh

Schuster

husten

genug

Grube

Kuchen

ich muss

sie tut

(Bonbon) 

 

ei

„ei, ai“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

  

ei

„ei“

 oa 

 

12

 

Einem hochsprachlichen ei, geschrie­ben „ei“ oder ai“,  entspricht  im Bairi­schen oft der Diphthong oa. Eine Herleitung aus der Hoch­sprache ist nicht möglich. Ausschlag­gebend ist, welche Lautung das jeweilige Wort  im Mittelalter hatte, wenn also mittel­hoch­deutsch ei zu­grunde liegt, nicht aber altes langes  î.

So erklärt sich, warum es für hoch­sprach­lich „ich meine, sie weiß“ im Bairischen i moa(n), sie woaß heißt, und die in der Hoch­­sprache  gleich lautenden und gleich geschrie­benen Wörter „meine (Frau), (die Wand ist) weiß“ aber mei und weiß. Weitere Paare dieser Art sind Loată – Reită, Doag – feig, loatn – Leitn, Schroa – schrein  „Lei­ter – Reiter, Teig – feig, leiten (= len­ken) – Leite(n) (= Berghang), (der) Schrei – schreien “ und viele andere mehr.

„Reise –Reis, zeigen – steigen“ haben im Bairischen unterschied­liche Vokale: Roas – Reis, zoang – šteing.

 – Im Nordbairischen steht in mehr­silbigen Wörtern oi  statt oa, z.B. ă gloină, Zoigl, soichn „ein kleiner, Zeiger, seichen“.

 

oa Oa

zwoa Oa(r)

hoassn

i woaß

koană vo de

      Gloană

hoazn

Hoamăd

foast

boanĕ

Goaß

Zoagă

zwoaraloa

Moastă

Loach

roasn

oaschichtĕ

Woasăl

Pfoad

soachă

Loam

loană

 

ein Ei

zwei Eier

heißen

ich weiß

keiner von den

        Kleinen

heizen

Heimat

feist (fett)

(knochig)

Geiß (*Ziege)

Zeiger

zweierlei

Meister

(Frosch-) Laich

reisen

(alleinstehend)

Waise(nkind)

(Hemd)

(urinieren)

Lehm (mhd. leim)

lehnen (mhd. leinen)

 

 

ài

 

13

  

Wie in der Hochsprache, jedoch ist der erste Bestandteil eindeutig heller. – Vgl. auch die Erläuterungen bei Nr. 12. –

In volkstümlicher Verschriftung wird für den Laut ài meist „ei“ gesetzt (so auch hier). 

Zeid

Leim

Leich

schneim

speim

Weiwăl

steing

Rein

Zeit

Leim

(Beerdigung)

schneien

speien

Weib(*-chen)

steigen

Rein(e) (Kasserol)

 

 

eu

„ei äu“

Der Umlaut eu, äu wird lautgesetz­lich entrundet zu ài.

  

Feier

nein(e)

feicht

heia

Hàisa

Hàisl

Màis

Sài

làitn 

Feuer

neun

feucht

heuer

Häuser

(*Häuschen)

Mäuse

Säue

läuten

 

au

„au“

 àu

 14

Wie in der Hochsprache, jedoch ist der erste Bestandteil eindeutig heller.

  

Haus

Graud

laud

aussĕ

aussă  

Haus

Blaukraut

laut

(hinaus)

(heraus)

 

o

 

 

òu

 

15

In ländlichen mittel- und  v. a. nord­bairischen Dialekten er­scheint altes langes o (mhd. ô) ver­zwielautet zu òu. Im Nordbarischen ist altes langes a (mhd. â) mit ô zusammengefallen und tritt ebenfalls als òu auf,  z.B. Stròuss, lòun, Jouă „Straße, lassen, Jahr“.

houch

Doud

roud

grouß

Stouß

Wos isn lous?

boussn

hoalous

Lous

hoch

Tod

rot

groß

Stoß

Was ist denn los?

(stoßen, klopfen)

(minderwertig)

(Mutterschwein)

 

oa

 

 

16

 

In ländlichen süd­bairischen Dialek­ten wird altes langes o (mhd. ô) ver­zwielautet zu oa.

Loas

roat

groaß

(Mutterschwein)

rot

groß

 ei

 ea

 17

Zum bairischen Zwielaut oa (< mhd. ei) existiert der Umlaut ea, der allerdings nur im  Basis-Dialekt in be­stimm­ten abge­leiteten Formen auf­tritt.

Vgl. dazu die nasalierte Variante in § 11.

heassă

gleană

breadă

Breadn

scheassln

heißer (Komparativ)

kleiner (Komparativ)

breiter (Komparativ)

Breite

(furzen) 

 

 

 

§  11

 

Zwielaute als Ergebnis der Liquidenvokalisation

 

11.1  Vokalisierung von l  zu  i (genauer: ǐ, ĕ ) nach Vokal

Ein charakteristisches Merkmal der mittelbairischen Dialekte ist, dass l nach Vokal seine konsonantische Qualität verliert und zum Vokal wird; dies ist eine wesentliche Kenn­lautung der Mundarten in Ober- und Niederbayern sowie in weiten Ge­bieten Österreichs. Weder das Süd- noch das Nordbairische haben teil an dieser Ent­wicklung, auch bestimmte Rand­gebiete von Ober- und Niederbayern haben nicht teil an dieser Lautentwicklung, die irr­tümlich als „typisch bayerisch“ angesehen wird.

Vereinfachend können folgende Varianten unterschieden werden (am Beispiel von „viel zu viel Gefühl, Milch, schnell“):            

            Vokalisierungsprodukt: Diphthong

            – ober-/niederbayerischer Typ                vui zvui Gfui, Muich, schnèi 

            – dgl. (eher ländlich)                                vèi zvèi Gfèi, Mèich

            Vokalisierungsprodukt: Monophthong                        

              wienerischer Typ                                vüü zvüü Gfüü, Müüch, schnöö

               kleinräumig                                        vii zvii Gfii, Miŭ

            Erhaltung von konsonantischem l

  oberpfälzischer Typ                             vüłł zvüłł Gf üł, schnöł

              alpenbairischer Typ                             vil zvil Gfil, Mil

 

Zur Vokalisierung von l in den Endungen -el, -l siehe unten in § 13.4.

 

11.2  Vokalisierung von r  zu  a (genauer: ă) nach Vokal

Die Vokalisierung von r nach Vokal ist keine Besonderheit des Bairischen, sondern ist im deutschen Sprachraum weit ver­breitet und entspricht der gemäßigten Hochlautung (untă, Heăz, kuăz „unter, Herz, kurz“).

Im Gegensatz dazu kann in den bairischen Mundarten das r auch als Konsonant erhalten blei­ben. Von bairisch-sprechenden Menschen als störend empfunden wird die in anderen Gegen­den (und auch in der Medien­sprache!) verbreitete Ersatz­dehnung bei Wegfall des r, so etwa Äägă, Hääz, häälich, wöökn für „Ärger, Herz, herrlich, wir­ken“.

 

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 al

„al, aal, ahl“  

 òi

18

Das zu ò verdumpfte a und verbindet sich mit dem aus vokalisierten l resultierenden i zum Zwielaut òi, ebenso bei e, ö und u.

Besondere Entwicklungen liegen vor bei i + l und au + l.

– Im Nordbairischen wird das l nicht vokalisiert; die Artikulation ist ü-hal­tig und rundet meist den Vokal da­vor, z.B. schnöłł, Göłd, Uł „schnell, Geld, Öl“. Am Alpen­rand kann das l konsonantisch erhalten bleiben oder es fällt einfach weg, z.B. vill, vii

„viel“. 

òid

Wòid

kòid

fòin

òis

òiss

Stòi

Òim

Sòiz

sòizzn

Sòi

Sòim   

alt

Wald

kalt

fallen

als

alles

Stall

Alm

Salz

salzen

Saal

Salbe 

 

el, äl, öl

„el, äl, ähl, öl, öhl“

 

In bestimmten Regionen hat  sich

e, ä + l  zu gerundetem òi  entwickelt, anderswo zu öö: schnöö, Gööd usw. 

schnòi

Gòid

Wòid

sòiwă

schnell

Geld

Welt

selber

 

 

 

 

 

 

 

èi, äi

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

èi, äi

 

 

 

 

 

 

19

Weiträumiger verbreitet dafür  ist

èi = äi.

schnèi

Wèid

Gèid

zèitln

käită

äită

wäin

zäin

Èi

êî-èin

Gwèi(b)

schnell

Welt

Geld

zelteln (zelten)

kälter

älter

wählen

zählen

Öl

einölen

Gewölbe

 

 

 

 

 

 

 

 

il, iel, ül

„il, iel, ül, ühl “

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In bestimmten Regionen ist die  alt­mundartliche Lautung für i + l, ü + l der Zwielaut èi. Hier fallen dann „Wild“ und „Welt“ in der einen Lautform Wèid zusammen. In  anderen Gegen­den, so etwa im Raum München, ist dafür seit alters her ui geläufig. Von dort aus hat sich diese Lautung ausge­breitet; sie gilt als städtisch und feiner (Nr. 20).

 

 

špèin

ò-špèin

vèi

i wèi

Mèich

es gèitt

Bèitl

Štèi

Gfèi

Mèi

êîféin

spielen

abspülen

viel

ich will

Milch

es gilt

Bild

(Besen-) Stiel

Gefühl

Mühle

einfüllen

 

  

ui

 

  

20

 

 špuin

ò-špuin

vui

i wui

Muich

es guitt

Buitl

Štui

Gfui

Mui

êîfuin

 spielen

abspülen

viel

ich will

Milch

es gilt

Bild

(Besen-) Stiel

Gefühl

Mühle

einfüllen 

 

 

ul

„ul, uhl “

 

 

Schui

Štui

Duid

Schuidn

Suiz

Schule

Stuhl

Dult

Schulden

Sulz (*Sülze)

 

ol

„ol, ohl “

  

 

oi

  

 21

 

Hoiz

Koin

Woikn

woin

i soi

Holz

Kohle(n)

Wolke(e)

wollen

ich soll 

 

aul, äul

 

 

ài

 

 

 

 

 

 

 

 

ài

 

 

22

 

 

 

 

 

 

Mài

dăfàin

Sàin 

Maul (Mund)

(*ver-) faulen

Säule

 

el

„el, ehl “

 

Altmundartlich weisen auch „fehlen, Teller“diese Lautung auf (wegen der mhd. Ausgangs­formen fælen, tæler). Heute meist fèin, Dèllă gesprochen.

Das Dialektwort hài (nordbairisch hàl) geht auf mhd. hæle zurück. 

fàin

s Dàiă

hài

fehlen

(*der) Teller

(eisglatt)

 

 

 

 

eil

 

 

 

 

 

 

wei

glei

Fein

Kei 

weil

gleich

Feile

Keil

 

òi

 

  

23

Altmundartliche Lautung für mhd.

ei + l .

Heute meist deiln, Seil, heiln gesprochen. 

dòin

Sòi

hòin 

teilen

Seil

heilen

ar 

oa

 24

Diese Entwicklung ist nur in be­stimmten Gebieten eingetreten; an­derswo bleibt das r als Konsonant

er­halten: ar oder or. – Es kann auch monophthongisches langes òò oder åå  resultieren, z.B. fòòn, Òòsch, Fååb „fahren, Farbe, Arsch“.

Zu beachten sind die einleitenden Ausführungen zum Silbenschnitt (§ 6) und in § 11.2.

  

štoag

a štoakă

woam

woatn

hoatt

Foă

foahn 

stark

ein starker

warm

warten

hart

Farbe

fahren

or

voăn

Oă, Oăn

boăn

vorn

Ohr, Ohren

bohren

 

er

är

ör

ür

  

 

ea

 

 25

Das r kann auch konsonantische erhalten bleiben.

Zu beachten sind die einleitenden Ausführungen zum Silbenschnitt (§ 6) und in § 11.2.

Heăzz

Šteăn

Beă

beărig

Beăg,

Scheă

gheăn

feachtn

deaffă 

Herz

Stern

Bär

bärig (toll)

Berg, Birig (Gebirge)

(Maulwurf)

gehören

fürchten

dürfen 

 ir

ür

 

ia

 

 26

Das r kann auch konsonantische erhalten bleiben.

Zu beachten sind die einleitenden Ausführungen zum Silbenschnitt (§ 6) und  in § 11.2. 

 

Wiat

miă

Kiach, Kiachă

Biă

viă, viarĕ

fiarĕ; fiară

Diă

štiazzn 

Wirt

wir

Kirche

Bier

vier

(nach vorn)

Tür

stürzen

 er

är

ör 

Alte bairische Lautentwicklung von

e + r (soweit ahd. ar zugrunde liegt). Mundartlich kann das r auch kon­so­nantisch erhalten bleiben. In be­stimm­ten Gegenden hört man Kürzn, Körzn, Krrzn, Ürrtă, Iuchtă und ähnliche Lautungen.

 

Kiăzzn

fiătĕ

iăm, giăbt

Iălăn

miăkă

Gmiăk

schwiăzzn

iăgă

wiămmă

štiăkă

Iămǐ, Iăwǐ, Iăwl

schwiăn

Iădă

Kerze

fertig

erben, geerbt

Erle(n)

(sich) merken

(Gedächtnis)

(schmuggeln)

ärger (Komparativ)

wärmer (Komp.)

stärker (Komp.)

Ärmel

schwören

(Dienstag)

 ur

„ur, uhr“

or 

 ua

27

 

Schnuă

Guăgl

Schuăzz

fuăt

Schur

Uhr

(Kehle)

Schurz (*Schürze)

fort 

 

 

  

 

§ 12

 

Nasalierte Vokale und Diphthonge

 

Vor n, seltener auch vor m, wird der vorhergehende Vokal genäselt ausgesprochen, vor allem dann, wenn der Nasalkonsonant im Dialekt nicht mehr realisiert wird, d.h. im Rahmen der Konsonantenschwächung ausfällt.

Im gegenwärtigen Bairisch ist zu beobachten, dass statt der nasalierten Vokale immer häufiger die oralen (nicht-nasalierten) Entsprechungen zu hören sind.

Zur Kennzeichnung der Nasalität mittels Zirkumflex s. o. § 7.

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

an

ein

  

 

â

  

 28

Es handelt sich um die nasalierte Variante des offenen à-Lautes (vgl. oben Nr. 1).

Die Aussprache sââ  für das Verb „sein“ gilt nur regional.

 

nââ

sââ

 

(wie bitte?)

nein

sein (Verb, Infinitiv)

 

an

on

  

 

ã

  

 29

Es handelt sich um die nasalierte Variante des dunkleren å-Lautes (vgl. oben Nr. 2).

Die Entsprechung ã für „an, on“ gilt nur in bestimmten Gegenden.

i kã

drã

ã

schã

ich kann

Mann

getan

dran

(es geht) an

schon

 

ô

  

 30

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns. In bestimmten Gegenden dafür ã (i kã, Mã, dã, drã, ã, schã)

 

 

 

 

i kô

drô

ô

schô

ich kann

Mann

getan

dran

(es geht) an

schon

 

en

ön

„en, ehen, ön, öhn“

 

 

ê

  

31 

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

 

 

 

wenĕ

štê

schê

gwênă 

wenig

gehen (Infinitiv)

stehen (Infinitiv)

schön

gewöhnen

 

in

 

 

î

 

 32

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

 

 

i bî

Kamî 

hin

ich bin

Kamin

 

(on)

 

 

û

  

 33 

Nur altmundartlich noch vorhanden, zurückgehend auf mhd. gunnen, sun,

wagensun.

gûnă

Wongsû

gönnen

Sohn

(Pflugschar)

 aun

 

âû

  

 34 

 

Dă Zâû is

brâû.

Der Zaun ist

braun.

 

ein

  

 

êî 

 

 35 

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

sêî

des sêî

fêî

fêî

o mêî

sein (Verb)

das seine

fein (Adjektiv)

fein (Partikel)

(Ausruf)

 ein

un

 

ôâ

  

 36 

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

môână

i môâ

kôâ ôâ(n)zigă

ă glôână

dôâ

meinen (Verb)

ich meine

kein einziger

ein Kleiner

tun (Infinitiv)

 ein

ien

ün

üm

iem

ihn

ihn

un

 

êâ

  

 37

Allgemein geläufig sind die Aus­spracheformen der Personal­pronomen „ihm, ihn, ihnen“; die übrigen Lautungen sind auf die länd­liche Basis-Mundarten beschränkt.

glêână

Štêână

vădêână

grêâ

Wêân

Blêâmĕ

Rêâm, Rêâmă

Rêâm

êâm

êâ, êână

dêân

kleiner (Kompar.)

Steine (-er,Plural)

verdienen

grün

Wien

Blümlein

Riemen

(München-) Riem

ihn, ihm

ihnen

(sie, wir) tun

 

  

 

§ 13

 

Unbetonte Silben

 

13.1  Unbetontes e entfällt im Bairischen grundsätzlich (s. dazu oben in § 4), z.B. geem, gfun­tn, gaa­­wăd, giiăd, gmiătlĕ, gnau, bsondăs, bscheissn „gegeben, gefunden, gearbeitet, ge­irrt, ge­müt­­lich, genau, be­sonders, bescheißen“. Davon nicht betroffen ist die Beugungsendung -e bei Eigen­schaftswörtern, z.B. ă gloanĕ Hittn, zwoa oidĕ Leid „eine kleine Hütte, zwei alte Leu­te“.

Zu den Fällen, wo unbetontes e dennoch ausgesprochen wird, siehe unten in § 15.3.

 

13.2  Unbetontes er  wird zu ă, z.B. , Loattă, drentăhòi, văgessn, dăbarmă „Leiter, ver­ges­sen, jenseits (bair. drenterhalb), erbarmen (bair. derbarmen)“.

 

13.3  Unbetontes en kann entweder zu n reduziert (Besn, Hàxn, fintn, bèttn „Besen, (Bei­ne), finden, beten“) – oder aber zu ă vokalisiert sein (machă, rengă, zwi­ckă, Štèckă „ma­chen, reg­nen, zwicken, Stecken“). Das -n gleicht sich normalerweise an den vor­her­gehenden Kon­so­nan­ten an (Assimilation bn > m; dn > n; gn > ng), z.B. oom, Lòòn, dròng „oben, Laden, tra­gen“ (siehe dazu § 4).

● Ob die Endung -en als -n oder -ă gesprochen wird, hängt davon ab, welcher Laut da­vor steht. Nach m, n, ng wird immer vokalisiert (ràmmă, Henă, bringă „räumen, Hen­ne(n), bringen“). Nach ch, k, f und nach stammauslautendem Vokal gibt es Unterschiede in der geo­graphischen Ver­teilung. Sehr weit verbreitet sind die Lautformen kàffă, baun, schaung, in be­stimmten Regi­o­nen hört man dafür aber kàffm, bauă, schauă („kaufen, bauen, schauen“). In der folgenden Tabelle weist das Symbol jeweils darauf hin, dass sowohl - ă  als auch -l vor­kommen.

 

Nach Stamm-

auslaut:

Vokalisierung der Endung zu ă

m

n

ng

k

ch

f

 

 

 

 

 

 

 

 

 regional auch

nach Vokal

brummă

kemmă

Riină

rengă

bringă

dengă

koochă

leichă

weichă

soachă ·

zwickă ·

văreckă ·

kàffă ·

sauffă ·

Soaffă ·

Ofă ·

 

bauă ·

schauă ·

steeă ·

brummen

(kommen)

Rinne

regnen

bringen

denken

kochen

leihen

weihen

(urinieren)

zwicken

verrecken

kaufen

saufen

Seife

Ofen

 

bauen

schauen

stehen

Nach Stamm-

auslaut:

Erhalt der konsonantischen Endung

als –n

Nach Stamm-

auslaut:

 

t

s

chs, x

z

sch

l

bèttn

Lattn

Bettn

bremsn

zrissn

wachsn

Hàxn

Štrixn

Fètzn

hoazzn

weizzn, weiăzzn

pfuschn

weagln

fischln

schiagln

beten

Latte

Betten

bremsen

zerrissen

wachsen

(*Beine)

(*Schläge)

Fetzen

heizen

(geistern)

pfuschen

werkeln

(nach Fisch riechen)

(schielen)

Nach Vokal,

auch wenn die­­­ser auf Vokalisierung

von -r, -n oder -l zurückgeht

dràhn

baun

kàin

heiăn

wandăn

hammăn

zeichnăn

kàmpĕn

dàchĕn

drickĕn

drehen

bauen

(werfen)

(heiraten)

wandern

hämmern

zeichnen

(kämmen)

(entwenden)

(trocknen < trückeln)

 

13.4  Bei Wörtern, die auf -el enden oder mit der bairischen Verkleinerungssilbe -l ab­ge­leitete Wortformen gilt Folgendes, allerdings nur für die mittelbairischen Dialekte im größten Teil von Ober- und Nieder­bayern, in denen postvokalisches -l vokalisiert wird – nicht jedoch für die an­de­ren bairischen Dialekt­gebiete. Die Ver­kleinerungsformen auf -erl/-ăl, -ei sowie Kose­formen auf -i, -e, -ä (Bubi, Hànsi, Karä zu „Bub, Hans, Karl“) bleiben hier unbe­rücksichtigt.

 

● Grundsätzlich unterliegt die Diminutiv-Endung –l in höherem Maße der Vokali­sie­rung als der Wortausgang -el. In den folgenden beiden Tabellen weist das Symbol ● hinter dem Wort jeweils darauf hin, dass sowohl als auch -l belegt sind (insbesondere nach k, s, sch).

 

  

13.4.1

 

Vokalisierung

nach Stamm-

auslaut

zu mittelbairisch ĕ

(Im Nordbairischen steht konsonantisches -l: Gòwl, Kàmpl, Åpfl usw.)

 

 

 

 

Der Laut ĕ wird  in der Schreibung meist als e wiedergegeben (das aus­lautende l  scheint ein­fach zu fehlen) oder auch mit ö (womit die ge­schlos­se­ne Qualität des Endvokals angedeutet  werden soll, z.B. Himmö „Himmel“).

 

b

w

Gòwĕ

Hewĕ

Kiwĕ

Sàwĕ, Säwĕ

Kiawis

vă-iiwĕn

howĕn

gràwĕn

Gabel

Hebel

Kübel

Säbel

Kürbis

verübeln

hobeln

(schimmeln)

p

w

Kàmpĕ

Làmpĕ

Ampĕ

Rašpĕ

kàmpĕn

zappĕn, zawĕn

(Kamm)

(Lämmlein)

Ampel

Raspel

(kämmen)

zappeln

f

Leffĕ

Schaufĕ

Apfĕ, Ópfĕ

Gipfĕ

Deifĕ

muffĕn

schnufĕn

Löffel

Schaufel

Apfel

Gipfel

Teufel

muffeln

(schnüffeln)

m

Semmĕ

Himmĕ

Hàmmĕ

Schàmmĕ

sammĕn, sàmĕn

Semmel

Himmel

Hammel

(Schemel)

sammeln

ch

Kaachĕ

Kuuchĕ

Dààchĕ

Biachĕ

Kiachĕ

Diachĕ

seachĕn

wàchĕn

màchĕn

Kachel

Kuchl (Küche)

(Dohle)

Büchlein (= Buch)

Küchel

Tüchlein

(nach Urin riechen)

(wehen, fächeln)

(basteln)

sch

Siehe dazu oben die Vorbemerkung (bei sch).

Dàschĕ sch

Bischĕ sch

 

 

(Dim. zu) Tasche

Büschel

k, ck

Siehe dazu oben die Vorbemerkung (bei ).

Breckĕ ●

Brickĕ ●

Sàckĕ ●

 

 

Bröcklein

Brücklein

Säcklein

 

  

13.4.2

 

-el/-l bleibt er­­halten nach Stamm­auslaut

als konsonantisches

 -l

d

Štrudl

Odl

Màdl

Kindl

Kleidl 

Strudel

(Jauche)

(Mädchen)

Kindlein

(Kleid)

Vielfach erfolgt Total­assimilation des d an das l der Endung:

dl > l:

Òòl, Òll

Gneel, Gnell

Štòòl, Štòll

Nuul, Null

Schniil, Schnill

Wààln, Wàlln

bèèln, bèlln

 

 

 

 

(Jauche)

Knödel

Stadel

Nudel

(Schnittlein)

(Waden, Plural)

betteln

t

Gretl

Làttl

Gàrtl

Guatl 

(Margarete)

(kleine Latte)

Gärtlein

(Bonbon)

sch

Wàschl

Drischl

Bischl ●

Dàschl ●

Nischl

Niaschl ●

dàischln ● 

(große Bürste)

(Dreschflegel)

Büschel

(Dim. zu) Tasche

(Kopf)

(Futternapf)

(Tauschhandel treiben)

z

Schnitzl

Štranizl

Scheăzzl, Scherzl

Hèizzl

Schnitzel

(Spitztüte)

(Brotanschnitt)

(Dim. zu) Holz

g

Igl

Vogl

Rogl

Sàgl

schlegln

begln, bigln  

Igel

Vogel

(Tüte)

(Dim. zu) Säge

(zappeln)

bügeln

k, ck

Onkl

Henkl

Deckl

Binkl

Dàckl

Sàckl ●

Breckl ● 

Onkel

Henkel

Deckel

(Beule)

Dackel

(Dim. zu) Sack

(Dim. zu) Brocken 

r

Feiăl

Durl, Duăll

Mirl, Miăll

(Dim. zu) Feuer

(Dorothea)

(Maria) 

  

  

13.4.3  Eine Sonderentwicklung liegt vor bei Wortstämmen auf -n:

 

n

Zwischen stammauslautendes n und die Endung schiebt sich  der Sposskonsonant -d-; es ergibt sich die Variante

 -dl

Bei einigen Wörtern ist „-dl“ als Schreibform fest geworden, z.B. Dirndl, Hendl; bei anderen tritt das -d- nur gele­gentlich auf (Brünnl, Brünndl).

Dirndl,Diandl,Deandl

Mànndl

Hendl

Wànndl

Kànndl, Kånndl

Fàhndl

Brindl (Brünndl)

Boandl

Stoandl

Heandl (Hörndl)

Keandl (Körndl)

Šteandl

Schweindl

Àhndl

Màriàndl

 

(Mädchen)

Dim. zu Mann

Dim. zu Henne

Dim. zu Wanne

Dim. zu Kanne

Dim. zu Fahne

Dim. zu Brunn(en)

Dim. zu Bein (Knochen)

Dim. zu Stein

Dim. zu Horn

Dim. zu Korn

Dim. zu Stern

Dim. zu Schwein

Dim. zu Ahn, Ahne

Marianne (Koseform)

Ohne artikulatorische Rechtfertigung er­scheint -d- in be­stimm­ten Wörtern auch auf Ableitungen mit der erwei­terten Diminutiv-En­dung -erl, übertragen:

Schweinderl

Weinderl

 

 

 

 

 

 

 

 

Dim. zu Schwein

Dim. zu Wein

 

  

 

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 Seite zuletzt aktualisiert am 11. April 2006

 

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