Remaraweng Boarisch

Aussprache - Abriss der bairischen Grammatik

Teil I - Lautlehre

   von Prof. Ludwig Zehetner

 

 Abriss der bairischen Grammatik

Teil I: Lautlehre

 (Aussprache, Phonologie)

 

  

Einleitung

 

Lautlehre (Phonologie) hat mit den Buchstaben nur insoweit etwas zu tun, als die Laute mit­tels Buchstaben in die Schrift umgesetzt werden. Als grundsätzlich mündlich gebrauchte For­men der Sprache aus sträuben sich alle Mund­arten von Natur aus gegen eine Fest­­legung in schrift­licher Form; eine „Dialekt-Orthographie“ ist nicht erstrebenswert. Alle, die sich an­schicken, mundartliche Lautung schriftlich zu fixieren, stehen vor dem Problem, dies in ein­deutiger und konsequenter Weise zu tun, um den Dialekt-Klang möglichst exakt zu ver­ge­gen­wärtigen.

Die heutige Hochsprache und deren Orthographie-System als Ausgangspunkt für die Dar­stellung der bairischen Laute zu wählen, erscheint wenig sinnvoll, und zwar aus dem ein­fa­chen Grund, weil sich das Bairische in vielfacher Hinsicht nach anderen Gesetzmäßigkeiten ent­­wickelt hat als die Hochsprache (siehe dazu § 3). Es wird bewusst der Ter­minus „Hoch­­­sprache“ verwendet – und nicht „Hochdeutsch“, „Standarddeutsch“ oder „Ein­heits­­­sprache“; denn die­se Bezeichnungen können zu Missverständnissen führen. Bairisch und Hoch­­deutsch stellen keine unüberbrückbaren Gegensätze dar – Bairisch ist auch Deutsch! –  und sprach­geo­gra­phisch betrachtet, ist das Bairi­sche ein „hochdeutscher“ Dialekt (im Ge­gen­satz zum Nieder­deutschen); es existieren mehrere re­gionale Standards des Deutschen, und eine deutsche „Ein­heitssprache“ gibt es streng ge­nom­men überhaupt nicht. Das Deutsche ist charakterisiert durch seine regionale Vielfalt, auch auf hochsprachlicher Ebene, Deutsch ist eine eindeutig „plurizentrische Sprache“.

Die bairischen Laute sind in Gruppen zusammengefasst, zuerst kommen die Vokale, dann die Konsonanten. Erstere sind unterteilt in Monophthonge (einfache Vokale, §§ 8 – 9), Diphthonge (Zwielaute, §§ 10 – 11) und Nasalvokale (§ 12); es folgen einige Bemerkungen zu unbetonten Silben (§ 13). Die Konsonanten sind nach artikulatorischen Merkmalen zu Gruppen zusammengefasst: Verschlusslaute (§ 14.1) – Reibelaute (§ 14.2) – Nasale, Liqui­den, Halbvokale (§ 14.3). Als § 15 folgt ein Kapitel zu ungewöhnlichen Konsonanten­verbindungen wie z.B. „gschtr“ am Wortanfang oder „chzg“ am Wortende.

Keines der in der Sprachwissenschaft üblichen Transkriptionssysteme (Teuthonista, IPA u. dgl.) findet Anwendung. Die Schreibung bedient sich des normalen lateinischen Al­pha­bets, er­gänzt durch einige Zusatzzeichen (Diakritika), die in § 7 erklärt sind.

Für die Benutzer mag es hilfreich sein, in der ersten Spalte die hochsprachlichen Ent­spre­­chungen der bairischen Laute zu finden. Die gesamte Anordnung erfolgt jedoch nach Maß­­gabe der Laute des Bairischen. Die Nummerierung der bairischen Laute erleichtert Vor- und Rückverweisungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieser kleine Bairisch-Kurs steht unter der Überschrift

Remmaraweng Boarisch,

in die Hochsprache übersetzt: „Reden wir ein wenig Bairisch!“ – oder, eher der nördlichen Idi­o­­matik entsprechend: „Lasst uns ein wenig Bairisch sprechen!“

An diesem Beispiel kann eine Auswahl von Lautgesetzlichkeiten aufgezeigt werden, die im Folgenden erläutert werden.

 

Rem                  mar       a      weng        Boarisch

Reden 1, 2, 3, 4, 5  wir  6    ein     wenig 7     B 8ai 9 risch

 

1                  Wegfall von unbetontem e:  reden > redn (Elision, Synkope)

2                  Einschmelzung von d in das folgende n: dn > n (Totalassimilation)

3                  Angleichung des n an den Anfangslaut des Folgeworts: n-m > m                                             (Assimilation)

4                  Bairisch mir „wir“, hier in der „Anhängsel-Form“ ma (Enklitikon)

5                  Kürzung des ursprünglich langen Vokals von reden vor Doppelkonsonant:

               remm (Silbenschnittwechsel, Fortis-Silbe)

6                  Vor dem vokalischen Anlaut der Artikelform a tritt das (ansonsten stumme)

               r wieder in Erscheinung (als Hiat-Tilger, „linking r“): mar-a

7                  Verlust der Silbenwertigkeit von -ig: wenig > weng (Assimilation)

8                  Das anlautende b ist stimmlos, nicht von p  zu unterscheiden (Halbfortis)

9                  Ahd./mhd. ei > oa: Bairisch > Boarisch

 

 

 

 

 

 

Abkürzungen:

 

Ahd., ahd.          = Alt-, althochdeutsch

Dim.                   = Diminutiv (Verkleinerungsform)

Hspr., hsprl.        = Hochsprache (überregionaler Standard), hochsprachlich

Komp.                = Komparativ (erste Steigerungsform)

Mhd., mhd.         = Mittel-, mittelhochdeutsch

Pl.                      = Plural (Mehrzahl)

Sg.                     = Singular (Einzahl)

*                        Mit Asterisk versehene Wörter sind in den bairischen Dialekten nicht                          geläufig.

 

 

 

 

 

 

Übersicht

 

 

§   1

§   2

§   3

§   4

§   5

§   6

§   7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorbemerkungen

Es gibt kein Einheits-Bairisch

Sprachebenen

eigenständiges System

Silbenreduktion – Assimilation

Konsonanten

Silbenschnitt

Zur Verschriftung

 

 

§   8

 

§   9

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 10

 

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 11

 

11.1

11.2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 12

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 13

13.1

13.2

13.3

13.4

13.4.1

13.4.2

13.4.3

 

 

 

 

1

2

3

4

5

6

7

8

9

 

 

10

11

12

13

14

15

16

17

 

 

 

 

 

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

 

 

 

 

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

 

 

 

Vokale – Übersicht

 

Monophthonge (einfache Vokale)

à, ă

å

ò

o

è, ä

e

o

u

i

 

Diphthonge (Zwielaute)

ia

ua

oa

ei = ài

àu

òu

oa

ea

 

Diphthonge aus Liquiden­vokalisation

l > i  (= ĕ)

r > a (= ă)

òi

èi = äi

ui

oi

ài

òi

oa

ea

ia

ua

 

 

 

Nasalvokale

â

ã

ô

ê

î

û

âû

êî

ôâ

êâ

 

unbetonte Silben

ă

ă / n

ĕ / l

l > i (= ĕ)

l > l

nl > ndl

 

Entsprechungen

in der Hochsprache

a, ä, e, au, äu, eu

a

a

a

e, ö

e, ä, a

o

u, ü, o, ö

i, ü

 

 

i, ü  (< mhd. ie, üe)

u (< mhd. uo)

ei, ai (< mhd.. ei)

ei, eu, äu (< mhd. î, iu, iü)

au (< mhd. û)

o (< mhd. ô)

o (< mhd. ô)

ei

 

 

 

 

 

al, el

el, äl, öl, il, iel, ül

il, iel, ül

ol

aul, äul, el, eil

eil; el

ar, or

er, är, ör, ür

ir, ür, er, är, ör

ur, or

 

 

 

 

an, ein

an, on

an, on

en, ön

in

on (< mhd. un)

aun

ein (< mhd. în)

ein, un (< mhd. ein, uon)

ein, ien, ün, üm, iem, ihm, un

(< mhd. ein, in, ien, üen, üem, uon)

 

-e- (in ge-, be- usw.)

-er

-en

-el, -lein

 

 

§ 14

14.1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14.2

 

 

 

 

 

 

 

14.3

 

 

 

 

 

 

 

§ 15

 

 

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

 

49

50

51

52

53

54

55

 

56

57

58

59

60

61

62

 

Konsonanten

Verschlusslaute

b

w

m

p

d

n

t

g

kh = gh

ck

ng

Reibelaute, Hauchlaut h

s, ss

z = ds, ts

sch

tsch

f

pf

ch, h

Nasale, Liquiden, Halbvokale

m

n

ng

l

r

w

ĭ

Konsonanten-Verbindungen

 

 

b, p

b, p

ben

p, pp

d, t

den

t, d

k vor Konsonant, g

k vor Vokal

ck

ng, gen, nk

 

s, ß, ss

z, d’S…

sch, s (rs, rst, sb, sd usw.)

tsch, d’Sch…

f, v

pf, d’F…

h (< mhd. ch), ch

 

m

n

ng

l

r

w, v

j

(Cluster)

 

§ 1

 

Es gibt kein Einheitsbairisch. Bairisch existiert nicht in nur einer einzigen und ein­heit­lichen Form. Die Unter­schiede zwischen den zahlreichen Dialektregionen sind teilweise recht be­acht­lich. Dennoch erlaubt es eine Anzahl von Gemeinsam­keiten, die Mundarten des ge­samten ost­oberdeutschen Sprach­raums – Altbayern und nahezu ganz Österreich umfassend – als „Bairisch“ zusammen­zufassen. Durch bestimmte Kenn­lautungen, Kenn­formen und Kenn­wörter setzen sich die bairischen Dia­lekte klar von den angrenzenden ost­fränkischen und alemannisch-schwäbischen Mund­arten ab.

Die Übersichten in §§ 9 – 15 bietet die bairischen Laute, wie sie im größten Teil von Ober- und Nieder­bayern vorkommen. Diese Art von Bairisch ist zwar die in Bayern bekann­teste Vari­an­te, sie darf aber keineswegs als das einzig „richtige“ Bairisch betrachtet werden. In be­stimm­ten Regionen – so etwa am Alpenrand, im Bayerischen Wald sowie in der Ober­pfalz und an­gren­zenden Gebieten – klingt das Bairische ganz anders; auf solche Sonder­ent­wick­­lungen wird gelegentlich in den Erläuterungen verwiesen.

 

 

§ 2

 

Es gilt zu beachten, dass es vielerlei Abstufungen hinsichtlich des Mischungsgrads von Dialekt und Hochsprache gibt. Zwischen den kleinräumigen Basisdialekten und der (regionalen) Hochsprache existieren viele Nuancen. Die verschiedenen Sprachebenen sollen kurz demonstriert werden.

(1) Dann sagte ich  – Hochsprache im nördlichen Deutschland *)

(2) Dann sagte ich  – Hochsprache im südlichen Deutschland *)

(3) Dann habe ich gesagt  – Hochsprache im südlichen Deutschland *)

(4) Dånn håb ich gesågt  – gemäßigte Hochsprache in Altbayern *)

(5)   håb i gsågt  – städtische Verkehrssprache in Altbayern *)

(6) Nå hòwi gsògt  – eher ländlicher Dialekt *)

(7) Oft hone gsoad  – kleinregionaler Basis-Dialekt (hier: Unterer Bayerischer Wald) *)

 

*)  Erläuterungen:

Zu (1): helle a-Laute, stimmhaftes d, stimmhaftes s; ö-ähnlicher Schwa-Laut bei sagte, Kehlkopfknacklaut vor ich

Zu (2): dunklere a-Laute, stimmloses d, stimmloses s; Bindung zwischen sagte und ich (ohne Kehlkopfknacklaut)  

Zu (3): Perfekt statt einfachem Präteritum

Zu (4): hab für habe (Apokope des -e)

Zu (5): für dann; ge- > g- (Synkope des -e); ich > i (Konsonantenschwund);

gsågt mit Kurzvokal (Silbenschnitt)

Zu (6): weitere a-Verdumpfung; b > w (Spirantisierung)

Zu (7): altes Dialektwort aft/oft für dann; hone < mittelhochdeutsch hân ih

(nicht hòwe, was nur die Ausspracheform darstellt von neuhochdeutsch habe ich);       

-oa- < mittelhochdeutsch -age- (gesaget)

 

Anhand eines längeren Satzes seien die einige weitere der vielfältigen Unterschiede zwi­schen Hochsprache und bairischem Dialekt aufgezeigt:

Sie konnten nicht mehr lenken, weil sie etwas getrunken hatten.

Loatn hams nimma kina, wei de ham èppas drunga ghabt.

 

Silbengetreue Übertragung:

„Leiten haben sie nimmer können, weil sie haben etwas getrunken gehabt.“

Lautung: sie | s

                          nicht mehr | nimmer

                          etwas | èppas

                          können | kinna (< mhd. künnen)

                          getrunken | drunga (getr- > dr-; -nk > ng; -en > -a).

Wortschatz:        lenken |  leiten, loatn

                          sie | de  

Tempus: sie konnten (Präteritum, Imperfekt, 1. Vergangenheit)

                          | haben können (P­er­fekt, 2. Ver­gangenheit)

                          sie hatten getrunken (Plusquamperfekt, 3. Vergangenheit)

                          |  sie haben ge­trunken gehabt (Passé surcomposé, 4. Vergangenheit)

Satzbau/Wortstellung: Die wichtige Aussage steht am Anfang (Loatn …), das Übrige  folgt; Wortstellung nach weil wie in einem Hauptsatz.

 

 

§ 3

 

Die bairische Phonologie stellt ein eigenständiges System dar, das nicht von der Hoch­­sprache abhängig ist. Mundartliche Lautformen las­sen sich nor­malerweise nicht von der Hoch­­sprache herleiten; man muss sie kennen.

Für Unkundige ist es beispielsweise nicht durchschaubar, warum „zwei, drei“ oder „ge­hen, drehen, sehen“ im Bairischen jeweils unterschiedliche Vokale aufweisen: zwoa – drei; gêh –  dràhn –  seng; oder warum sich „biegen“ und „liegen“ im Dialekt nicht reimen (biang – liing), ebensowenig „Krug – Zug“ (Gruag – Zuug), „Ruhe – Truhe“ (Rua – Druuchan) oder „leh­nen – (bei) denen“ (loa­na – dene); dass andererseits aber „Ruß – (sie) muss“, „Glas – Fass“ oder „lü­gen – ziehen“ reine Reime bilden: Ruas  – (sie) muas, Glòòs – Fòòs, liang – ziang. Von der Hoch­sprache ausgehend, lässt sich auch nicht erschließen, wa­­rum es etwa für „sie können, er kommt, wir kommen“ im Bairischen heißt: sie kinnan(d), er kimmt, mia kem­man; ebensowenig lässt sich von der Hochsprache her ergründen, warum die Verbform der 2. Per­son Plural im Bairischen unabdingbar die Endung -ts aufweist (Habts ihr/ees? Gehts (ees/ihr) aa mid? Ees/ihr wissts, kemmts „Habt ihr? Geht ihr auch mit? Ihr wisst, kommt“).

Bairi­sche Besonderheiten lassen sich sehr oft aus dem Mittel- oder Althochdeutschen er­klä­ren, da der Dialekt vieles aus dem mittel­alterlichen Deutsch bewahrt hat, was in der heuti­gen Standardsprache verschwunden ist. Für die oben erwähnten Beispiele sind die alt­deutschen Formen maß­­gebli­ch: mhd. zwei, driu/drî, gên, dræjen, sechen; biegen (ahd. biogan, biu­­gan), li­gen; kruoc, zuc; ruowe, truhe(n); leinen, denen; ruoz, muoz; glas, vaz, liegen, zie­gen, si künnent, ahd. er qui­­mit, wir quëman < quë­ma­mês. Die Endung -ts geht auf das bairi­sche Per­sonal­pronomen ees für „ihr“ zurück.

 

 

§ 4

 

Das Bairische weist im Vergleich mit der Hochsprache eine beachtenswert höhere An­­­zahl an Selbstlauten (vokalischen Phonemen) auf; insbesondere bei den Zwielauten (= Di­phthon­gen) ist die Differenz groß, wie die Aufstellung in §§ 10 – 12 ausweist.

Die Zahl der Mitlaute (Konsonanten) hingegen ist geringer. Die in der Hochsprache ge­trennten Reihen b, d, g – p, t, k und w/v – f sind im Prinzip nicht mehr unterscheidbar. Schwä­chung und gänzlicher Schwund von Konsonanten sind häufig. Dazu ist auch der Verlust der kon­so­nan­tischen Qualität der Liquiden r und l nach Vokal zu zählen (s. § 11).

Durch den Ausfall von unbetontem e reduziert sich die Länge von Wörtern und Sätzen zum Teil erheblich (Silbenreduktion). Die dadurch zusammenrückenden Konsonanten wer­den aneinander angeglichen (Assimilation). So erklärt es sich, dass „leben, reden, liegen, Nu­deln, Stadel, Rindvieh, Bettelmann, Schlittenfahren“ im Bairischen meistens leem (-m < -bn), reen (-n < -dn), liing (-ng < gn), Nulln, Šdòòl (-l < dl), Rimviich (ndf > mf), Bellmô (-llm < tlm), Schlimfòòn (-mf < -tnf) gesprochen werden. Zu den teilweise überraschenden Konso­nan­tenhäufungen siehe unten in § 15.

Hinsichtlich der Silbenzahl stehen sich Hochsprache und Dialekt nicht selten im Ver­hältnis von 2 : 1 gegenüber. Beispiele:

Gebeten hat sie ihn und gebettelt, bis er es ihr zurückgegeben hat. (20 Silben)

Bitt hodsn und bedld, biis as ia zruckgem hod. (10 Silben)

Was wird es denn gekostet haben? (9 Silben)

Wòs weadsn kost hòm? (4 Silben).

 

 

§ 5

 

Im Bairischen sind – außer den Liquiden l, r und den Nasalen m, n, ng – alle Kon­so­nanten grundsätzlich stimm­los. Besondere Beachtung verdient die durchwegs stimmlose Aussprache von s sowie der Ver­schluss­­laute (Plo­sive) b, d, g im Wort- und Silbenanlaut; auch j und w/v klingen im Bai­ri­­schen anders als in der deutschen Hochlautung. Auswärtige, die sich bairische Wör­ter an­­ge­eignet haben, neigen dazu, diese Konsonanten stimmhaft auszusprechen.

Um solche störende Fehler zu vermeiden, würde es sich empfehlen, die bairische Aus­sprache von „binden, Bett, Decke“ dadurch zu sichern, dass man sie in der Schrift als pintn, Pett, Teckn  wiedergibt (wie es etwa das große Wörterbuch der Mundarten in Österreich hand­habt). Diese Wörter haben nämlich absolut denselben Anlaut wie etwa „Peter, Tisch, Trom­mel“. Im Anlaut wird b völlig gleich gesprochen wie p, anlautendes d wie t; bei g/k gilt dies nur für die Kombinationen gf, gh, gl, gm, gn, gr, gs, gš, gw = kf, kh,  kl, km, kn, kr, gs (= „x“), gš, kw (= „qu“). Dennoch wird Abstand genommen von der Dialekt-Verschriftung wie pintn, Pett, Teckn, und zwar aus dem Grund, weil die Aussprache der Buchstaben „p, t, k“ in der Hoch­lautung als „ph, th, khdefiniert ist – als Starklaute mit Behauchung (aspirierte Fortis-Plosive).

Unser Alphabet hat keine Buchstaben zur Verfügung, mit denen die für das Bairische cha­­rak­teristischen „Halbfortes“ zum Ausdruck gebracht werden könnten, d.h. Verschluss­laute, die weder stimmhaft noch behaucht sind, also artikulatorisch zwischen „b“ und „p“ ste­hen, zwischen „d“ und „t“, zwischen „g“ und „k“. Hilfreich kann der Hinweis sein, dass „p, t, k“ im Bai­ri­schen ungefähr so auszusprechen sind wie im Französischen oder Italienischen (z.B. ton père, paraplui, pizza tonno). Um die geringere Stärke und fehlende Behauchung an­zu­­deuten, hilft man sich mit einem grafischen „Verfremdungseffekt“, indem man die Leser mit ei­nem oder mehreren – vom hoch­sprachlichen Standpunkt her – frappierenden Buch­staben über­rascht, z.B. Dintn, bàtln, Butting, drucka/drockn („Tinte, paddeln, Pudding, tro­cken“). Von der Setzung von bb, dd, gg für „p, pp, t, tt, k, ck“ (z.B. Lambbm, Hiddn, rugga „Lampe, Hütte, rücken“) wird Abstand genommen, weil solche Schreibungen dazu ver­leiten könn­ten, bb, dd, gg stimmhaft auszusprechen, was falsch wäre. Außerdem hätte eine kon­se­quente Setzung von bb, dd, gg für die Halbfortes eine störende Aufschwemmung des Schrift­bilds zur Folge (z.B. ddenggdd, „denkt = gedacht“). Da­her werden hier die Stark­laut-Zei­chen p, t, k gesetzt (Lampm, Hittn, rucka) – mit dem eindringlichen Hin­weis dar­auf, dass keine Be­hau­chung erfolgen darf. Die Verschriftung mit bb, dd, gg bleibt dem Fränkischen vorbehalten (vgl. bair. s Autto is uns văreckt – fränk. s Audo is uns gfreggdd).

 

 

§ 6

 

Ein Lautgesetz, das insbesondere im Mittelbairischen gilt, betrifft die Wechsel­beziehung zwi­schen Konsonantenstärke und Vokallänge innerhalb einer Silbe. Der Silben­schnitt hat Vor­rang vor den Einzellauten, er bestimmt maßgeblich sowohl Vokal­länge als auch Konsonan­ten­stärke. Vor Fortis-Kon­sonant (gespannte Qualität, Starklaut) kann nur kur­zer Vokal stehen, vor Lenis-Kon­sonant (ungespannte Qualität, Schwachlaut) nur langer Vo­kal.

Nach diesem „Sil­­ben­schnitt-Gesetz“ können Wörter wie „Vater, Mutter, Meter“ in der Mund­­art realisiert werden

            – entweder als Voo­dă, Muadă, Meedă

            Typ I: ungespannte, wei­che, schwach­ geschnit­tene Silbe = „Lenis-Silbe“

            – oder als Vattă, Muattă, Mèttă

            Typ II: gespannte, straffe, scharf ­­geschnittene Silbe = „Fortis-Silbe“.

 

Die Kombination „Langvokal + Starklaut“, wie sie etwa in hochsprachlich „Blut, blutig, (ein) Toter, ra­ten, bluten, Hupe, Rute, Beet, Haken, Häkchen“ vorliegt, widerstrebt dem bai­ri­schen Silbenschnittgesetz und kommt daher in stimmigem Dialekt nicht vor. Man ver­glei­che: Bluad, bluadig, ă Dodă/Dou­dă, ròòn (< radn) einerseits (Typ I) – und bluatn/bliatn, Huppm, Ruattn, Bettl, Hackn, Hàckerl andererseits (Typ II). Ebenso ist es bei „Kurzvokal + weicher Konsonant“; das aus dem Englischen entlehnte Wort „Pudding“ wird dialektnah entweder Bu­ding oder Butting aus­­gesprochen; ähnlich bei „Tü­te“, wofür man Düdn/Didn oder Dittn hört  (als Er­satz für die Dialektwörter Rogl, Štra­­nizn/Štarizn). Konsonantengruppen wie cht, ft, ks, kt, bst, ndn, ldl, tsch und andere führen meist zum Silbentyp II, so etwa in Nòcht, Luft, lank­­sam, gsakt, er likt, Opst, bintn, gštantn, Runtn, Buitl/Bèitl, Hàntscha für „Nacht, Luft, lang­sam, ge­sagt, er liegt, Obst, binden, gestanden, Runde, Bild(lein), Handschuh“.

 

 

 

 

Typ I

(Lenissilbe)

 

 

 

 

 

 

 

Typ II

(Fortissilbe)

 

 

 

 

Dreeg

Šbeeg

Biig

i huif/hèif

Huif/Hèif

Sòiz

Schwiiz

Griif

Fòòs

òis

miid

hîî

es iis

i iis

i giib

Voodă

Schriid

Schwans

Dans

Fiisch

hoas

roasn

Wiisn

Bliiz

Hund

Hand

rund

Kind, Kindă

Schand

Schuidn

wuid, wèid

Weedă

Schliin

 

Dreck

Speck

(klebrige Masse)

ich helfe

Hilfe

Salz

(Schweiß)

Griff

Fass

als

mit

hin

es ist

ich esse

ich gebe

Vater (alt)

Schritt

Schwanz

Tanz

Fisch

heiß

reisen

Wiese

Blitz

Hund

Hand

rund

Kind, Kinder

Schande

Schulden

wild

Wetter

Schlitten

Dehnung in ein­silbigen Wörtern bzw.  keine Dehnung in anderen Wort­-

formen

 

 

 

 

 

 

 

 

Konsonanten-

schwächung bzw.

Erhaltung der

Fortisqualität oder

Fortisierung 

 

 

 

 

Lenis- bzw.

Fortis-

Konsonant

(ggf. Häufung)

 

 

 

 

 

 

 

dreckĕ

šbickă

bickăd

hèiffa

ghoiffa

sòizzn

Hitz

Griff, greiffă

Fàssl

òiss

Bitt

hint, hintn

(ăso) iss

essn, gessn

du gipst

Vattă

Schritt

Schwànzz

danzzn

Fišš

ă hoassă

hoassn

wissn

blitzn

Hunt

Hent

Runtn

Kunt, Kuntn

schintn

mèitn

Buitl, Bèitl

Dàttum

Litta

·         

dreckig

spicken

(klebrig)

helfen

geholfen

salzen

Hitze

Griffe, greifen

Fässlein

alles

Bitte

hinten

so ist es

essen, gegessen

du gibst

Vater

Schritte (Plural)

Schwänze  (Pl.)

tanzen

Fische (Plural)

ein heißer

heißen

wissen

blitzen

Hunde (Plural)

Hände, Hand

Runde

(Kerl, Kerle)

(quälen)

melden

Bild (Dim.)

Datum

Liter

  

Bedingt durch die grundsätzliche Dehnung von einsilbigen Wörtern ergibt sich unter­schied­­licher Silbenschnitt in ursprünglich ein- bzw. mehrsilbigen Formen desselben Wort­stammes (vgl. „Tanz“ → Dans, aber: „Tänze, tanzen“ → Dànzz, danzzn; „Schritt“ → Schriid, aber: „Schrit­­te“ → Schritt; „heiß“ → hoas, aber: „(eine) heiße, (ein) heißer“ → ă hoassĕ, ă hoassă. Auf diese Weise verfügt das Bairische auch über eine ganz eigene Möglich­keit zur Dif­fe­renzierung von Einzahl- und Mehrzahlformen, die der Hochsprache fremd ist. Beispiele:

auf Schriid und Driid – a bòr Schritt, Dritt (Schritt, Tritt – Schritte)

a Štriig – zwoa Štrick  (Strick – Stricke)

mei Roog – deine Reck (Rock – Röcke)

a wèha Fuas / wäiha Fous  – gwaschne Fiass / Fäiss (Fuß – Füße)

Koobf – Kepf (Kopf – Köpfe)

a Diisch – zwoa Disch (= Dišš) (Tisch – Tische)

oa Fiisch – a Hauffa Fisch (= Fišš) (Fisch – Fische)

 

§ 7

 

Zur Verschriftung der bairischen Laute siehe auch § 5 und § 8.

Falls erforderlich (d.h. bei Abweichungen von der Hochsprache) wird Länge des Vokals mit­ Hil­­fe von Doppelsetzung dargestellt (z.B. Koobf, Diisch, Einzahlformen; Silben­typ I, wie oben in § 6 erläutert), Vokalkürze durch Verwendung der Fortis-Konsonanten, gegebenenfalls mit Doppelsetzung (Dàttum, Mehrzahlformen wie Kepf, Dišš; Silbentyp II nach § 6). In Kauf ge­nommen wird dabei, dass ein einziger Unterschied – nämlich der zwischen den Silbentypen I und II – teilweise zwei­fach zum Ausdruck gebracht wird. Diese Überdeutlichkeit erscheint notwendig, da Schrift­bil­der wie Riß, Roß von allen, die an die traditionelle Recht­schreibung ge­wöhnt sind, als Riss, Ross (mit kurzem Vokal) interpretiert wer­den. Hier steht Riiß, Rooß, Griif für die Einzahl, für die Mehrzahl dieser Wörter sowie in abgeleiteten Formen aber Riss, Ressl, Griff  („Risse, Rösslein, Griffe“).   

 

Es werden nur wenige Zusatzzeichen verwendet, die über das normale lateinische Al­pha­­bet hinausgehen (diakritische Zeichen, teilweise Anleihen aus dem Dänischen, Französi­schen, Tschechischen, Rumä­nischen).

å = dunkler a-Laut, der sich mehr oder weniger dem o nähert, z.B. Stråss „Straße“

Ein Gravis-Akzent zeigt offene Vokalqualität an:

à = offener a-Laut (s. dazu § 9 Nr. 1)

è = offener e-Laut, wie hochsprachlich ä, e in „älter, Eltern, Bett“

ò = offener o-Laut wie in hochsprachlich „offen“

 

Nasalierung (Näselung) von Vokalen wird durch Zirkumflex über dem Grundzeichen an­­ge­­zeigt, aus technischen Gründen nicht, wie üblich, mit übergesetzter Tilde (õ usw.).

â, ê, î, ô, û = nasaliertes à (hell), e, i, o, u

ã = nasaliertes å (verdumpft)

 

Ein übergesetztes Häubchen zeigt an, dass der Vokal in unbetonter Stellung nicht voll­tönend ist; es handelt sich um sog. Schwa-Laute, auf denen niemals der Wortakzent liegen kann.

ă = heller à-Laut in unbetonten Silben, z.B. bairisch ăloa, måchă „allein, machen“

ĕ = Laut zwischen i und e in unbetonten Silben, z.B. bairisch wenĕ „wenig“ (nicht zu ver­wechseln mit der hochsprachlichen Aussprache des unbetonten -e als einem Laut, der dem ö ähnelt; siehe dazu auch § 15.5).

 

Gelegentlich wird das Zeichen š für „sch“ verwendet, wenn in der schriftsprachlichen Ortho­­­gra­fie kein „sch“ steht; demnach also: schreim, wischn für „schreiben, wischen“ – aber Štiă, Duašt, raišpăn für „Stier, Durst, räuspern“. Zur Verdeutlichung des Silbenschnitts kann auch šš vorkommen (z.B. fiššn „fischen“; vgl. oben § 6).

 

 

 

 

§ 8

 

 

Vokale (Selbstlaute) – Übersicht  

 

Einfache Vokale (Monophthonge): siehe § 9 (Nr. 1 – 9) und § 13

 

                                               i  ___  ___  ___  ___  ___  ___  ___  ___      u  

                                                 \   ĕ                                /

                                                  e                                 o

                                                    \                                /        

                                                      è = ä                  ò

                                                        \                        /

                                                           \                   å

                                                 \           /

                                                   à  ă  ___         

 

                                                               

 

Zwielaute (Diphthonge): siehe § 10 (Nr. 10 – 17); § 11 (Nr. 18 – 27); § 12 (Nr. 34 – 37)

 

fallende                                                           steigende

 

ia      (hsprl. nicht vorhanden)                ài        (heller als  hsprl. ei, ai in frei, Mai)

ea     (hsprl. nicht vorhanden)                àu        (heller als  hsprl. au in Haus)

oa     (hsprl. nicht vorhanden)                èi = äi   (hsprl. nicht vorhanden)

ua     (hsprl. nicht vorhanden)                ei = êî   (hsprl. nicht vorhanden)

                                                        òi          (wie hsprl. eu, äu in Heu, Häuser)

                                                        oi          (hsprl. nicht vorhanden)

                                                        ui          (wie hsprl. ui in pfui)

 

 

 

Nasale Vokale

Zu fast allen einfachen Vokalen und Zwielauten gibt es auch genäselte Varianten: siehe § 12 (Nr. 28 – 37).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 9

 

Einfache Vokale (Monophthonge)

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

 

 

 

 

a

„a, aa, ah“

 

à

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ă

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

à

 

 

 

1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das überhelle à ist eine der auffälligsten Kennlautungen des Bairi­schen in Altbayern.

Es kommt dem englischen [æ] recht nahe: die bairische Namensform Kàthl klingt fast wie engl. cattle. –

Zahlreiche Fremdwörter werden mit hellem à gesprochen. Traditione­l­le Vornamen haben å (z.B. Ålexånder), jüngere eher à (z.B.  Sàschà). –

Bemerkenswert sind die unterschied­lichen a-Laute  in Wörtern wie Tàxi­fåhrer, Lådenkàsse, Stååts­exàmen, Stàrtbåhn, Någellàck, Gàsflåsche

u.a.m.  

 

Überhelles à ist auch erster Bestand­teil der Zwielaute ai, au sowie zweiter Bestandteil in ia, ea, oa, ua (s. u. bei den Zwielauten).

Es tritt in unbetonten Silben als sog. Schwa-Laut auf (z.B. im unbe­stimm­ten Artikel a, an), in Vor- und End­silben (z.B. dăfàid, ădiam, kem­mă, Wintă).

Um Missvertändnisse zu vermeiden –auf einer unbetonten Nebensilbe irri­tiert ein Akzent  –,  wird hier nicht der Gravis-Ak­zent gesetzt, sondern das Zeichen ă.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kàsse

Spàss

Gàs

Tàxi

Exàmen

bàssn

ràckern

gràntig

Bààz

bàtzig

Kàmpǐ, Kàmpl

stràwànzn

Ràhm-

     schwàmmerl

Ràbàrwă-

     màrmàlàd

 

Kasse

*Spaß

Gas

Taxi, *Taxe

Examen

passen

rackern

 (übellaunig)

(Schlamm)

(schlammig)

Kamm

(streunen)

(Pilze in *Sahne-

         soße)

Rhabarber-

         marmelade

 

 

 

 

 

 

ä

„ä, äh“

Kàs

Ràdl

Hàx, Hàxn

stààd

i wàr

sie dàd

ea kàm

schàmă

Màxl, Màxĕ

nàhn

màhn

Làmperl, -ăl

Làmperl, -ăl

bàrtig

gàch

zàch

 

Käse

Rädlein (=Rad)

(Bein, Beine)

(ruhig, still)

ich wäre

sie täte

ich käme

schämen

*Mäxchen

nähen

mähen

*Lämpchen

Lämmlein

bärtig

(jäh)

(zäh)

 

e

„e, ee, eh“

dràhn

zàrn

lààr

schwàr

Schàr

Hàring

Àrding

drehen

zerren

leer

schwer

Schere

Hering

Erding (Stadt)

 

 

 

 

au

àà

kàmm

làffă

glàm

Bàm

Dràm

auch

kaum

laufen

glauben

Baum

Traum

 

äu

eu

 

Bàm

dràmmă

vasàmmă

štrààn

 

Bäume

träumen

versäumen

streuen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a

„a, aa, ah“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

å

 

 

 

 

 

 

 

 

2

 

 

 

 

 

 

 

Das normale a klingt in Altbayern deutlich dunkler als in der Hoch­sprache (oder im Schwäbischen oder in der österreichischen Verkehrs­sprache).

Auch bei beabsichtigter hoch­sprach­licher Lautgebung (etwa beim Lesen)  tendiert es in Richtung offenes  ò.

 

 

 

Straße, Stråss

Gasse, Gåss

Apfel, Åpfĕ

lassen, låssn

Schrank

Fahnenstange

      (Fåhnăstång)

Vater, Våtă

Tråmbåhn

Ådventåndåcht

 

 

Wenn ein Altbayer solche Wörter ausspricht, meint er, es sei Hochlautung.

In Umgangs­sprache und erst recht im Dialekt klingt der a-Laut merklich dunkler.

 

 

Straße

Gasse

Apfel

lassen

Vater

Gabel

Nadel

(Näherin)

Laden

baden

(Hafer)

Salat

er hat

(hinab, hinunter)

(herab, herunter)

 

ò

 

 

3

 

In mundartnaher ländlicher Sprech­weise klingen die a-Laute stärker ver­­dumpft und nähern sich noch mehr dem o.

Unterschiedliche Lautwerte für a weisen manche Komposita auf, wie etwa Bròd­hàring, Schwårtnmòng, Kààs­šbòzn „Brathering, Schwarten­magen, Käse­­spätzle“.

 

Offener o-Laut (wie  hochsprach­lich nur bei kurzem Vokal, z.B. in „Rock, Pfosten“) kommt in den Mund­arten nur vor als Entsprechung für hoch­sprach­liches  a.

 

 

Stråss, Stròss

Gåss, Gòss

Åpfe, Òpfe

låssn, lòssn

Våddă, Vòdă

Gòwǐ

Nòdl, Nòl

Nòdărĕn

Lòòn

bòòn

Hòwăn

Sòlòd

er hòd

òwĕ, nò

òwă, rò

 

 

o

 

 

 

4

 

 

 

In manchen Regionen wird mundart­lich ein ursprüngliches a vo­ll­­ends als geschlossenes o artikuliert.

 

 

owĕ, no

owă, ro

do honĕ

 

 

(hinab, hinunter)

(herab, herunter)

da habe ich

 

e

„e, ee, eh“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

è, ä

 

5

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Offener e-Laut wie  hochsprach­lich nur bei kurzem Vokal, z.B. in „Hecke, Messer“. – Im Bairischen tritt offenes è unab­hängig von Länge oder Kürze des Vokals auf. – Die Verteilung von offenem und ge­schlossenem e (è – e)  variiert regio­nal.

In Wörtern wie „weh, Schnee, bös“ finden sich auch Zwielaute, z.B.

weah (südbairisch), Schnäi, bäis

(nordbairisch).

 

Schnèck (der)

Stèckă

Fèttn (die)

bèttn

i stèh

ea gèht

sèng

wèh

Rèh

Schnèè

Lättn

Lädschn

 

(die) Schnecke

Stecken, (Stock)

(das) Fett

beten

ich stehe

er geht

sehen

weh

Reh

Schnee

(Schlamm)

(Mund, Gesicht)

 

ö

„ö, öh“

Der Umlaut ö wird lautgesetzlich entrundet zu e.

 

 

 

 

bläd

bäs

i mächt

grässă

stässn

blöd(e)

böse

ich möchte

größer

stoßen (stössen)

 

e

„e, eh“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

e

 

6

 

 

 

 

Geschlossener e-Laut wie  hoch­sprach­lich nur bei langem Vokal, z.B. in „Weg, stehen“. – Im Bairi­schen tritt geschlossenes e unab­hängig von Länge oder Kürze des Vokals auf. – Die Verteilung von offenem und ge­schlossenem e vari­iert regional. –

 

Zur verkehrs­sprach­lichen Artiku­lation von unbetontem -e in „bitte, danke“ usw.  siehe § 15.5.

 

Weg

bessă

wettn

Messă

Weedă

Bettn, Bettă

drent

gweesn, gwen

Scheef

 

Weg

besser

wetten

Messer

Wetter

Betten

(jenseits)

gewesen

Chef

 

 

 

 

 

ä, a

Basisdialektal kann geschlossenes e einem hochsprachlichen a oder ä ent­sprechen.

 

 

 

Epfĕ

Hent

Benk, Beng

Gens

Äpfel

Hände, Hand

(Sitz-) Bank

Gänse

 

 

o

„o, oh“

 

o

 

7

Geschlossener o-Laut wie  hoch­sprach­lich nur bei langem Vokal, z.B. in „Rose, tot“. – Im Bairischen tritt geschlossenes o unabhängig von Länge oder Kürze des Vokals auf. Daher weisen „Ofen“ und „offen“ den gleichen o-Laut auf.

Im Norden des Nordbairischen hört man Huasn, Uafm für „Hose, Ofen“.

 

Brockă

Gondl

off, offă

Heagod

Stoog

Roog

Bostn

Hosn

Brocken

Gondel

offen

Herrgott

(Wurzel-) Stock

Rock

Posten

Hose

 

u

„u, uh“

 

 

 

 

 

 

 

u

 

8

Unabhängig von Länge oder Kürze des Vokals wird u immer geschlos­sen ausgesprochen (wie in der Hochsprache nur bei langem Vokal, z.B. in „Ruhe, Tugend“).

 

 

ă Hund

d Hunt

lustig

Buttă (der)

Buckl

Gšpusĕ, Gšpusi

 

ein Hund

die Hunde

lustig

(die) Butter

Buckel (Rücken)

(Geliebte/e)

 

 

ü

 

Vor „schwerer Konsonanz“  wie  pf und ck (alte Affrikata ckch) ist die Um­lautung  unter­blieben.

 

 

hupfă

lupfă

buckă

ruckă

zruck

Gruckă

druckă

(*hüpfen)

(*lüpfen)

(*bücken)

(*rücken)

(*zurück)

(*Krücke)

(*drücken)

 

o, ö

 

In den Basisdialekten ist mhd. u oft erhalten geblieben, während es  in der Hochsprache zu o oder ö gesenkt wurde (nach Maßgabe mittel­deutscher Mundarten): mhd. sunne, gunnen usw., aber hochsprachlich Sonne, gönnen usw.

druckă

Summă

Sunn, Sună

Sundă

gună

i kunnt

umăsunst

 

trocken

Sommer

Sonne

Sonntag

gönnen

ich könnte

umsonst

 

i

„i, ie

 

 

 

 

 

i

 

 

 

9

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unabhängig von Länge oder Kürze wird der Vokal  i immer geschlossen ausgesprochen (wie in der Hoch­sprache nur das lange i,  z.B. in „Bibel, Wiese, ihnen“).

Wiisn

Miisd

Wiisch

Listn

Wintă

finstă

Binkl

Wiese

Mist

Wisch (Formular)

Liste

Winter

finster

(Beule)

 

 

ü

„ü, üh“

Der Umlaut ü wird lautgesetzlich entrundet zu i.

In relativ jungen Wörtern wie „Schüler, Müll“ tritt die Entrun­dung nicht auf.

 

 

 

Nur im südlichen Oberbayern gilt  ins < üns „uns“

Hittn

Kiwĕ

Kiawis

Schlissl

gsindă

Sint

Grippĕ, Grippl

Kini, Kinĕ

 

ins, dă insă

 

 

Hütte

Kübel

Kürbis

Schlüssel

gesünder

Sünde

Krüppel

(König; mhd.

        künec)

uns, der unsere

 

 

 

 

 

 

§  10

 

Zwielaute (Diphthonge)

 

Bei den folgenden Lauten handelt es sich um einfache Phoneme, d.h. auch die fallenden Zwie­laute ia, ua, oa gehören zu einer (!) Silbe. Bairisch Dia, Hias, hoaß, koa, Moar („Tür, (Matt)hias, heiß, kein, Meier“) sind einsilbige Wörter und daher nicht trennbar – im Gegen­satz zu zweisilbigen Wörtern wie hochsprachlich Di|a, (E)li|as, Hi|at, Sto|a, Go|ar.

Die Verschriftung mit ia, ua, oa, ea; ai, au stellt eine Vereinfachung dar; korrekt müsste stehen:  iă, uă, oă, eă, êă; àĕ, àŭ.

 

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

i

„ie, ieh, i“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ia

 

 

10

Einem hochsprachlichen langen i, geschrieben „ie“ oder „ieh“,  kann im Bairischen der Diphthong ia entsprechen. Eine Herleitung aus der Hochsprache ist nicht möglich. Aus­schlaggebend ist, welche Lautung das jeweilige Wort  im Mittelalter hat­te, wenn also mittelhoch­deutsch ie zu­grunde liegt – nicht aber einfaches i wie etwa in „Wiese, liegen“.

– In den  nordbairischen Mund­arten tritt  statt mittelbairisch ia der „gestürzte Di­phthong“ äi auf,  z.B. wäi, läib, Läicht „wie, lieb, Licht“; für „schießen“ z.B. kommen neben schäissn auch Varianten wie schoissn, schuissn  vor, z.B. im Bayerischen Wald.

wia, nia

Liad

liab

Fliang

biang

schiassn

sian

ziang

Liacht

wie, nie

Lied

lieb

Fliege

biegen

schießen

sieden

ziehen

Licht (mhd. lieht)

 

ü

„ü, üh“

Mittelhochdeutsch üe ist laut­gesetz­lich ent­rundet zu ia.

– In den  nordbairischen Mundarten tritt der „gestürzte Diphthong“ äi auf, z.B. mäid, Fäiss, Käichl „müde, Füße, Küchel“; für „fliegen“ im Bayerischen Wald auch fluing, floing.

 

miad

miassn

biassn

Fiass

siass

Bliah

Kiachĕ

Riassl

Riappĕ

liang

 

müde

müssen

büßen

Füße

süß

(Blüte)

Küchel

Rüssel

Rüpel

lügen

 

 

 

u

„u, uh“

 

ua

 

11

Einem hochsprachlichen langen u, ge­schrieben „u“ oder „uh“,  kann im Bairischen der Diphthong ua ent­sprechen. Eine Herleitung aus der Hochsprache ist nicht möglich. Aus­schlaggebend ist, welche Lautung das jeweilige Wort im Mittelalter hatte, wenn also mittelhoch­deutsch uo zu­grunde liegt, nicht aber einfaches u. – In den  nordbairischen Mundarten tritt statt mittelbairisch ua der „ge­stür­zte“ Di­phthong ou auf,  z.B. Fouß, houstn, i mou „Fuß, husten, ich muss“.

Bua

Muattă, Muadă

Fuadă

Kuah

Fuaß

Schuah

Schuastă

huastn

gnua

Gruam

Kuachă

i muaß

sie duad

Guatl

 

 

Bub (*Junge)

Mutter

Futter; Fuder

Kuh

Fuß

Schuh

Schuster

husten

genug

Grube

Kuchen

ich muss

sie tut

(Bonbon)

 

 

ei

„ei, ai“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ei

„ei“

 

oa

 

 

 

 

12

 

 

Einem hochsprachlichen ei, geschrie­ben „ei“ oder ai“,  entspricht  im Bairi­schen oft der Diphthong oa. Eine Herleitung aus der Hoch­sprache ist nicht möglich. Ausschlag­gebend ist, welche Lautung das jeweilige Wort  im Mittelalter hatte, wenn also mittel­hoch­deutsch ei zu­grunde liegt, nicht aber altes langes  î.

So erklärt sich, warum es für hoch­sprach­lich „ich meine, sie weiß“ im Bairischen i moa(n), sie woaß heißt, und die in der Hoch­­sprache  gleich lautenden und gleich geschrie­benen Wörter „meine (Frau), (die Wand ist) weiß“ aber mei und weiß. Weitere Paare dieser Art sind Loată – Reită, Doag – feig, loatn – Leitn, Schroa – schrein  „Lei­ter – Reiter, Teig – feig, leiten (= len­ken) – Leite(n) (= Berghang), (der) Schrei – schreien “ und viele andere mehr.

„Reise –Reis, zeigen – steigen“ haben im Bairischen unterschied­liche Vokale: Roas – Reis, zoang – šteing.

 – Im Nordbairischen steht in mehr­silbigen Wörtern oi  statt oa, z.B. ă gloină, Zoigl, soichn „ein kleiner, Zeiger, seichen“.

 

oa Oa

zwoa Oa(r)

hoassn

i woaß

koană vo de

      Gloană

hoazn

Hoamăd

foast

boanĕ

Goaß

Zoagă

zwoaraloa

Moastă

Loach

roasn

oaschichtĕ

Woasăl

Pfoad

soachă

Loam

loană

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ein Ei

zwei Eier

heißen

ich weiß

keiner von den

        Kleinen

heizen

Heimat

feist (fett)

(knochig)

Geiß (*Ziege)

Zeiger

zweierlei

Meister

(Frosch-) Laich

reisen

(alleinstehend)

Waise(nkind)

(Hemd)

(urinieren)

Lehm (mhd. leim)

lehnen (mhd. leinen)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ài

 

13

 

 

Wie in der Hochsprache, jedoch ist der erste Bestandteil eindeutig heller. – Vgl. auch die Erläuterungen bei Nr. 12. –

In volkstümlicher Verschriftung wird für den Laut ài meist „ei“ gesetzt (so auch hier).

 

Zeid

Leim

Leich

schneim

speim

Weiwăl

steing

Rein

Zeit

Leim

(Beerdigung)

schneien

speien

Weib(*-chen)

steigen

Rein(e) (Kasserol)

 

 

eu

„ei äu“

Der Umlaut eu, äu wird lautgesetz­lich entrundet zu ài.

 

 

 

Feier

nein(e)

feicht

heia

Hàisa

Hàisl

Màis

Sài

làitn

 

Feuer

neun

feucht

heuer

Häuser

(*Häuschen)

Mäuse

Säue

läuten

 

au

„au“

 

àu

 

14

Wie in der Hochsprache, jedoch ist der erste Bestandteil eindeutig heller.

 

 

 

Haus

Graud

laud

aussĕ

aussă

 

 

Haus

Blaukraut

laut

(hinaus)

(heraus)

 

o

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

òu

 

 

 

 

 

 

15

In ländlichen mittel- und  v. a. nord­bairischen Dialekten er­scheint altes langes o (mhd. ô) ver­zwielautet zu òu. Im Nordbarischen ist altes langes a (mhd. â) mit ô zusammengefallen und tritt ebenfalls als òu auf,  z.B. Stròuss, lòun, Jouă „Straße, lassen, Jahr“.

 

houch

Doud

roud

grouß

Stouß

Wos isn lous?

boussn

hoalous

Lous

hoch

Tod

rot

groß

Stoß

Was ist denn los?

(stoßen, klopfen)

(minderwertig)

(Mutterschwein)

 

 

oa

 

 

16

 

In ländlichen süd­bairischen Dialek­ten wird altes langes o (mhd. ô) ver­zwielautet zu oa.

 

Loas

roat

groaß

(Mutterschwein)

rot

groß

 

 

ei

 

ea

 

 

17

Zum bairischen Zwielaut oa (< mhd. ei) existiert der Umlaut ea, der allerdings nur im  Basis-Dialekt in be­stimm­ten abge­leiteten Formen auf­tritt.

Vgl. dazu die nasalierte Variante in § 11.

heassă

gleană

breadă

Breadn

scheassln

heißer (Komparativ)

kleiner (Komparativ)

breiter (Komparativ)

Breite

(furzen)

 

 

 

 

§  11

 

Zwielaute als Ergebnis der Liquidenvokalisation

 

11.1  Vokalisierung von l  zu  i (genauer: ǐ, ĕ ) nach Vokal

 

Ein charakteristisches Merkmal der mittel­bairischen Dialekte ist, dass l nach Vokal seine konsonantische Qualität verliert und zum Vokal wird; dies ist eine wesentliche Kenn­#lautung der Mundarten in Ober- und Niederbayern sowie in weiten Ge­bieten Österreichs. Weder das Süd- noch das Nordbairische haben teil an dieser Ent­wicklung, auch bestimmte Rand­gebiete von Ober- und Niederbayern haben nicht teil an dieser Lautentwicklung, die irr­tümlich als „typisch bayerisch“ angesehen wird.

Vereinfachend können folgende Varianten unterschieden werden (am Beispiel von „viel zu viel Gefühl, Milch, schnell“):            

            Vokalisierungsprodukt: Diphthong

            – ober-/niederbayerischer Typ             vui zvui Gfui, Muich, schnèi  

            – dgl. (eher ländlch)                             vèi zvèi Gfèi, Mèich

            Vokalisierungsprodukt: Monophthong                        

              wienerischer Typ                             vüü zvüü Gfüü, Müüch, schnöö

               kleinräumig                         vii zvii Gfii, Miŭ

            Erhaltung von konsonantischem l

  oberpfälzischer Typ             vüłł zvüłł Gf üł, schnöł

              alpenbairischer Typ              vil zvil Gfil, Mil

 

Zur Vokalisierung von l in den Endungen -el, -l siehe unten in § 13.4.

 

11.2  Vokalisierung von r  zu  a (genauer: ă) nach Vokal

 

Die Vokalisierung von r nach Vokal ist keine Besonderheit des Bairischen, sondern ist im deutschen Sprachraum weit ver­breitet und entspricht der gemäßigten Hochlautung (untă, Heăz, kuăz „unter, Herz, kurz“).

 

Im Gegensatz dazu kann in den bairischen Mundarten das r auch als Konsonant erhalten blei­ben. Von bairisch-sprechenden Menschen als störend empfunden wird die in anderen Gegen­den (und auch in der Medien­sprache!) verbreitete Ersatz­dehnung bei Wegfall des r, so etwa Äägă, Hääz, häälich, wöökn für „Ärger, Herz, herrlich, wir­ken“.

 

 

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

al

„al, aal, ahl“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

òi

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das zu ò verdumpfte a und verbindet sich mit dem aus vokalisierten l resultierenden i zum Zwielaut òi, ebenso bei e, ö und u.

Besondere Entwicklungen liegen vor bei i + l und au + l.

– Im Nordbairischen wird das l nicht vokalisiert; die Artikulation ist ü-hal­tig und rundet meist den Vokal da­vor, z.B. schnöłł, Göłd, Uł „schnell, Geld, Öl“. Am Alpen­rand kann das l konsonantisch erhalten bleiben oder es fällt einfach weg, z.B. vill, vii

„viel“.

 

òid

Wòid

kòid

fòin

òis

òiss

Stòi

Òim

Sòiz

sòizzn

Sòi

Sòim

 

 

 

alt

Wald

kalt

fallen

als

alles

Stall

Alm

Salz

salzen

Saal

Salbe

 

 

 

 

 

 

 

 

el, äl, öl

„el, äl, ähl, öl, öhl“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In bestimmten Regionen hat  sich

e, ä + l  zu gerundetem òi  entwickelt, anderswo zu öö: schnöö, Gööd usw.

 

schnòi

Gòid

Wòid

sòiwă

schnell

Geld

Welt

selber

èi, äi

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

èi, äi

 

 

 

 

 

 

19

 

 

 

 

Weiträumiger verbreitet dafür  ist

èi = äi.

schnèi

Wèid

Gèid

zèitln

käită

äită

wäin

zäin

Èi

êî-èin

Gwèi(b)

schnell

Welt

Geld

zelteln (zelten)

kälter

älter

wählen

zählen

Öl

einölen

Gewölbe

 

 

 

 

 

 

 

 

il, iel, ül

„il, iel, ül, ühl “

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In bestimmten Regionen ist die  alt­mundartliche Lautung für i + l, ü + l der Zwielaut èi. Hier fallen dann „Wild“ und „Welt“ in der einen Lautform Wèid zusammen. In  anderen Gegen­den, so etwa im Raum München, ist dafür seit alters her ui geläufig. Von dort aus hat sich diese Lautung ausge­breitet; sie gilt als städtisch und feiner (Nr. 20).

 

 

špèin

ò-špèin

vèi

i wèi

Mèich

es gèitt

Bèitl

Štèi

Gfèi

Mèi

êîféin

spielen

abspülen

viel

ich will

Milch

es gilt

Bild

(Besen-) Stiel

Gefühl

Mühle

einfüllen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ui

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

20

 

 

 

 

špuin

ò-špuin

vui

i wui

Muich

es guitt

Buitl

Štui

Gfui

Mui

êîfuin

 

spielen

abspülen

viel

ich will

Milch

es gilt

Bild

(Besen-) Stiel

Gefühl

Mühle

einfüllen

 

 

 

ul

„ul, uhl “

 

 

Schui

Štui

Duid

Schuidn

Suiz

Schule

Stuhl

Dult

Schulden

Sulz (*Sülze)

 

ol

„ol, ohl “

 

 

 

oi

 

 

 

 

21

 

Hoiz

Koin

Woikn

woin

i soi

Holz

Kohle(n)

Wolke(e)

wollen

ich soll

 

 

aul, äul

 

 

ài

 

 

 

 

 

 

 

 

ài

 

 

22

 

 

 

 

 

 

Mài

dăfàin

Sàin

 

Maul (Mund)

(*ver-) faulen

Säule

(eisglatt)

 

el

„el, ehl “

 

Altmundartlich weisen auch „fehlen, Teller“diese Lautung auf (wegen der mhd. Ausgangs­formen fælen, tæler). Heute meist fèin, Dèllă gesprochen.

Das Dialektwort hài (nordbairisch hàl) geht auf mhd. hæle zurück.

 

fàin

s Dàiă

hài

fehlen

(*der) Teller

(eisglatt)

 

 

 

 

eil

 

 

 

 

 

 

wei

glei

Fein

Kei

 

weil

gleich

Feile

Keil

 

òi

 

 

 

23

Altmundartliche Lautung für mhd.

ei + l .

Heute meist deiln, Seil, heiln gesprochen. 

dòin

Sòi

hòin

 

teilen

Seil

heilen

 

ar

 

 

 

 

 

oa

 

 

24

Diese Entwicklung ist nur in be­stimmten Gebieten eingetreten; an­derswo bleibt das r als Konsonant

er­halten: ar oder or. – Es kann auch monophthongisches langes òò oder åå  resultieren, z.B. fòòn, Òòsch, Fååb „fahren, Farbe, Arsch“.

Zu beachten sind die einleitenden Ausführungen zum Silbenschnitt (§ 6) und in § 11.2.

 

 

 

 

štoag

a štoakă

woam

woatn

hoatt

Foă

foahn

 

stark

ein starker

warm

warten

hart

Farbe

fahren

 

or

voăn

Oă, Oăn

boăn

vorn

Ohr, Ohren

bohren

 

er

är

ör

ür

 

 

 

 

ea

 

 

 

25

Das r kann auch konsonantische erhalten bleiben.

Zu beachten sind die einleitenden Ausführungen zum Silbenschnitt (§ 6) und in § 11.2.

Heăzz

Šteăn

Beă

beărig

Beăg

Scheă

gheăn

feachtn

deaffă

 

 

Herz

Stern

Bär

bärig (toll)

Berg, (Gebirge)

(Maulwurf)

gehören

fürchten

dürfen

 

 

 

ir

ür

 

 

 

 

 

 

 

ia

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

26

Das r kann auch konsonantische erhalten bleiben.

Zu beachten sind die einleitenden Ausführungen zum Silbenschnitt (§ 6) und  in § 11.2.

 

 

 

Wiat

miă

Kiach, Kiachă

Biă

viă, viarĕ

fiarĕ; fiară

Diă

štiazzn

 

Wirt

wir

Kirche

Bier

vier

(nach vorn)

Tür

stürzen

 

er

är

ör

 

Alte bairische Lautentwicklung von

e + r (soweit ahd. ar zugrunde liegt). Mundartlich kann das r auch kon­so­nantisch erhalten bleiben. In be­stimm­ten Gegenden hört man Kürzn, Körzn, Krrzn, Ürrtă, Iuchtă und ähnliche Lautungen.

 

Kiăzzn

fiătĕ

iăm, giăbt

Iălăn

miăkă

Gmiăk

schwiăzzn

iăgă

wiămmă

štiăkă

Iămǐ, Iăwǐ, Iăwl

schwiăn

Iădă

Kerze

fertig

erben, geerbt

Erle(n)

(sich) merken

(Gedächtnis)

(schmuggeln)

ärger (Komparativ)

wärmer (Komp.)

stärker (Komp.)

Ärmel

schwören

(Dienstag)

 

ur

„ur, uhr“

or

 

 

 

ua

 

 

 

27

 

Schnuă

Guăgl

Schuăzz

fuăt

Schur

Uhr

(Kehle)

Schurz (*Schürze)

fort

 

 

 

 

 

 

§ 12

 

Nasalierte Vokale und Diphthonge

 

Vor n, seltener auch vor m, wird der vorhergehende Vokal genäselt ausgesprochen, vor allem dann, wenn der Nasalkonsonant im Dialekt nicht mehr realisiert wird, d.h. im Rahmen der Kon­sonantenschwächung ausfällt.

Im gegenwärtigen Bairisch ist zu beobachten, dass statt der nasalierten Vokale immer häufi­ger die oralen (nicht-nasalierten) Entsprechungen zu hören sind.

Zur Kennzeichnung der Nasalität mittels Zirkumflex s. o. § 7.

 

Hoch-

sprache

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

an

ein

 

 

 

â

 

 

 

28

 

 

 

Es handelt sich um die nasalierte Variante des offenen à-Lautes (vgl. oben Nr. 1).

Die Aussprache sââ  für das Verb „sein“ gilt nur regional.

 

nââ

sââ

(wie bitte?)

nein

sein (Verb, Infinitiv)

 

an

on

 

 

 

ã

 

 

 

 

29

 

 

 

 

Es handelt sich um die nasalierte Variante des dunkleren å-Lautes (vgl. oben Nr. 2).

Die Entsprechung ã für „an, on“ gilt nur in bestimmten Gegenden.

 

i kã

drã

ã

schã

ich kann

Mann

getan

dran

(es geht) an

schon

 

ô

 

 

 

30

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns. In bestimmten Gegenden dafür ã (i kã, Mã, dã, drã, ã, schã)

 

 

 

 

i kô

drô

ô

schô

ich kann

Mann

getan

dran

(es geht) an

schon

 

en

ön

„en, ehen, ön, öhn“

 

 

ê

 

 

 

 

31

 

 

 

 

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

 

 

 

wenĕ

štê

schê

gwênă

 

wenig

gehen (Infinitiv)

stehen (Infinitiv)

schön

gewöhnen

 

in

 

 

î

 

 

32

 

 

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

 

 

i bî

Kamî

 

hin

ich bin

Kamin

 

(on)

 

 

û

 

 

 

33

 

 

 

Nur altmundartlich noch vorhanden, zurückgehend auf mhd. gunnen, sun,

wagensun.

gûnă

Wongsû

gönnen

Sohn

(Pflugschar)

 

aun

 

âû

 

 

 

34

 

 

Dă Zâû is

brâû

Der Zaun ist

braun

 

ein

 

 

 

êî

 

 

 

 

35

 

 

 

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

sêî

des sêî

fêî

fêî

o mêî

sein (Verb)

das seine

fein (Adjektiv)

fein (Partikel)

(Ausruf)

 

ein

un

 

ôâ

 

 

 

 

 

36

 

 

 

 

Verbreitet  im größten Teil Alt­bayerns.

 

môână

i môâ

kôâ ôâ(n)zigă

ă glôână

dôâ

meinen (Verb)

ich meine

kein einziger

ein Kleiner

tun (Infinitiv)

 

ein

ien

ün

üm

iem

ihn

ihn

un

 

êâ

 

 

 

37

 

 

Allgemein geläufig sind die Aus­spracheformen der Personal­pronomen „ihm, ihn, ihnen“; die übrigen Lautungen sind auf die länd­liche Basis-Mundarten beschränkt.

glêână

Štêână

vădêână

grêâ

Wêân

Blêâmĕ

Rêâm, Rêâmă

Rêâm

êâm

êâ, êână

dêân

kleiner (Kompar.)

Steine (-er,Plural)

verdienen

grün

Wien

Blümlein

Riemen

(München-) Riem

ihn, ihm

ihnen

(sie, wir) tun

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 13

 

Unbetonte Silben

 

13.1  Unbetontes e entfällt im Bairischen grundsätzlich (s. dazu oben in § 4), z.B. geem, gfun­tn, gaa­­wăd, giiăd, gmiătlĕ, gnau, bsondăs, bscheissn „gegeben, gefunden, gearbeitet, ge­irrt, ge­müt­­lich, genau, be­sonders, bescheißen“. Davon nicht betroffen ist die Beugungsendung -e bei Eigen­schaftswörtern, z.B. ă gloanĕ Hittn, zwoa oidĕ Leid „eine kleine Hütte, zwei alte Leu­te“.

Zu den Fällen, wo unbetontes e dennoch ausgesprochen wird, siehe unten in § 15.3.

 

13.2  Unbetontes er  wird zu ă, z.B. , Loattă, drentăhòi, văgessn, dăbarmă „Leiter, ver­ges­sen, jenseits (bair. drenterhalb), erbarmen (bair. derbarmen)“.

 

13.3  Unbetontes en kann entweder zu n reduziert (Besn, Hàxn, fintn, bèttn „Besen, (Bei­ne), finden, beten“) – oder aber zu ă vokalisiert sein (machă, rengă, zwi­ckă, Štèckă „ma­chen, reg­nen, zwicken, Stecken“). Das -n gleicht sich normalerweise an den vor­her­gehenden Kon­so­nan­ten an (Assimilation bn > m; dn > n; gn > ng), z.B. oom, Lòòn, dròng „oben, Laden, tra­gen“ (siehe dazu § 4).

● Ob die Endung -en als -n oder -ă gesprochen wird, hängt davon ab, welcher Laut da­vor steht. Nach m, n, ng wird immer vokalisiert (ràmmă, Henă, bringă „räumen, Hen­ne(n), bringen“). Nach ch, k, f und nach stammauslautendem Vokal gibt es Unterschiede in der geo­graphischen Ver­teilung. Sehr weit verbreitet sind die Lautformen kàffă, baun, schaung, in be­stimmten Regi­o­nen hört man dafür aber kàffm, bauă, schauă („kaufen, bauen, schauen“). In der folgenden Tabelle weist das Symbol ● jeweils darauf hin, dass sowohl - ă  als auch -l vor­kommen.

 

Nach Stamm-

auslaut:

Vokalisierung der Endung zu ă

 

m

n

ng

k

ch

f

 

 

 

 

 

 

 

 

regional auch

nach Vokal

 

 

 

Nach Stamm-

auslaut:

 

brummă

kemmă

Riină

rengă

bringă

dengă

koochă

leichă

weichă

soachă ●

zwickă ●

văreckă ●

kàffă ●

sauffă ●

Soaffă ●

Ofă ●

 

bauă ●

schauă ●

steeă ●

 

Erhalt der konsonantischen Endung

als –n

brummen

(kommen)

Rinne

regnen

bringen

denken

kochen

leihen

weihen

(urinieren)

zwicken

verrecken

kaufen

saufen

Seife

Ofen

 

bauen

schauen

stehen

 

t

s

chs, x

z

sch

l

 

 

 

 

bèttn

Lattn

Bettn

bremsn

zrissn

wachsn

Hàxn

Štrixn

Fètzn

hoazzn

weizzn, weiăzzn

pfuschn

weagln

fischln

schiagln

 

beten

Latte

Betten

bremsen

zerrissen

wachsen

(*Beine)

(*Schläge)

Fetzen

heizen

(geistern)

pfuschen

werkeln

(nach Fisch riechen)

(schielen)

Nach Vokal,

auch wenn die­­­ser auf Vokalisierung

von -r, -n oder -l zurückgeht

 

 

 

dràhn

baun

kàin

heiăn

wandăn

hammăn

zeichnăn

kàmpĕn

dàchĕn

drickĕn

drehen

bauen

(werfen)

(heiraten)

wandern

hämmern

zeichnen

(kämmen)

(entwenden)

(trocknen; < trückeln)

 

13.4  Bei Wörtern, die auf -el enden oder mit der bairischen Verkleinerungssilbe -l ab­ge­leitete Wortformen gilt Folgendes, allerdings nur für die mittelbairischen Dialekte im größten Teil von Ober- und Nieder­bayern, in denen postvokalisches -l vokalisiert wird – nicht jedoch für die an­de­ren bairischen Dialekt­gebiete. Die Ver­kleinerungsformen auf -erl/-ăl, -ei sowie Kose­formen auf -i, -e, -ä (Bubi, Hànsi, Karä zu „Bub, Hans, Karl“) bleiben hier unbe­rücksichtigt.

 

● Grundsätzlich unterliegt die Diminutiv-Endung –l in höherem Maße der Vokali­sie­rung als der Wortausgang -el. In den folgenden beiden Tabellen weist das Symbol ● hinter dem Wort jeweils darauf hin, dass sowohl als auch -l belegt sind (insbesondere nach k, s, sch).

 

 

 

 

 

13.4.1

 

Vokalisierung

nach Stamm-

auslaut

zu mittelbairisch ĕ

(Im Nordbairischen steht konsonantisches -l: Gòwl, Kàmpl, Åpfl usw.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Laut ĕ wird  in der Schreibung meist als e wiedergegeben (das aus­lautende l  scheint ein­fach zu fehlen) oder auch mit ö (womit die ge­schlos­se­ne Qualität des Endvokals angedeutet  werden soll, z.B. Himmö „Himmel“).

 

b

w

 

Gòwĕ

Hewĕ

Kiwĕ

Sàwĕ, Säwĕ

Kiawis

vă-iiwĕn

howĕn

gràwĕn

Gabel

Hebel

Kübel

Säbel

Kürbis

verübeln

hobeln

(schimmeln)

p

w

 

 

 

Kàmpĕ

Làmpĕ

Ampĕ

Rašpĕ

kàmpĕn

zappĕn, zawĕn

(Kamm)

(Lämmlein)

Ampel

Raspel

(kämmen)

zappeln

f

 

 

 

 

Leffĕ

Schaufĕ

Apfĕ, Ópfĕ

Gipfĕ

Deifĕ

muffĕn

schnufĕn

Löffel

Schaufel

Apfel

Gipfel

Teufel

muffeln

(schnüffeln)

m

 

 

 

Semmĕ

Himmĕ

Hàmmĕ

Schàmmĕ

sammĕn, sàmĕn

Semmel

Himmel

Hammel

(Schemel)

sammeln

ch

 

 

 

 

Kaachĕ

Kuuchĕ

Dààchĕ

Biachĕ

Kiachĕ

Diachĕ

seachĕn

wàchĕn

màchĕn

Kachel

Kuchl (Küche)

(Dohle)

Büchlein (= Buch)

Küchel

Tüchlein

(nach Urin riechen)

(wehen, fächeln)

(basteln)

sch

Siehe dazu oben die Vorbemerkung (bei ).

Dàschĕ ●

Bischĕ ●

 

 

(Dim. zu) Tasche

Büschel

k, ck

 

 

Siehe dazu oben die Vorbemerkung (bei ).

Breckĕ ●

Brickĕ ●

Sàckĕ ●

 

 

 

Bröcklein

Brücklein

Säcklein

 

 

 

13.4.2

 

-el/-l bleibt er­­halten nach Stamm­auslaut

 

als konsonantisches

 -l

 

 

 

 

d

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Štrudl

Odl

Màdl

Kindl

Kleidl

 

Strudel

(Jauche)

(Mädchen)

Kindlein

(Kleid)

Vielfach erfolgt Total­assimilation des d an das l der Endung:

dl > l:

Òòl, Òll

Gneel, Gnell

Štòòl, Štòll

Nuul, Null

Schniil, Schnill

Wààln, Wàlln

bèèln, bèlln

 

 

 

 

(Jauche)

Knödel

Stadel

Nudel

(Schnittlein)

(Waden, Plural)

betteln

t

Gretl

Làttl

Gàrtl

Guatl

 

(Margarete)

(kleine Latte)

Gärtlein

(Bonbon)

sch

 

 

 

 

Wàschl

Drischl

Bischl ●

Dàschl ●

Nischl

Niaschl ●

dàischln ●

 

(große Bürste)

(Dreschflegel)

Büschel

(Dim. zu) Tasche

(Kopf)

(Futternapf)

(Tauschhandel treiben)

z

Schnitzl

Štranizl

Scheăzzl, Scherzl

Hèizzl

Schnitzel

(Spitztüte)

(Brotanschnitt)

(Dim. zu) Holz

g

 

 

Igl

Vogl

Rogl

Sàgl

schlegln

begln, bigln

 

 

Igel

Vogel

(Tüte)

(Dim. zu) Säge

(zappeln)

bügeln

k, ck

 

 

 

 

 

Onkl

Henkl

Deckl

Binkl

Dàckl

Sàckl ●

Breckl ●

 

Onkel

Henkel

Deckel

(Beule)

Dackel

(Dim. zu) Sack

(Dim. zu) Brocken

 

r

Feiăl

Durl, Duăll

Mirl, Miăll

(Dim. zu) Feuer

(Dorothea)

(Maria)

 

 

 

 

 

 

13.4.3  Eine Sonderentwicklung liegt vor bei Wortstämmen auf -n:

 

n

Zwischen stammauslautendes n und die Endung schiebt sich  der Sposskonsonant -d-; es ergibt sich die Variante

 -dl

Bei einigen Wörtern ist „-dl“ als Schreibform fest geworden, z.B. Dirndl, Hendl; bei anderen tritt das -d- nur gele­gentlich auf (Brünnl, Brünndl).

 

Dirndl,Diandl,Deandl

Mànndl

Hendl

Wànndl

Kànndl, Kånndl

Fàhndl

Brindl (Brünndl)

Boandl

Stoandl

Heandl (Hörndl)

Keandl (Körndl)

Šteandl

Schweindl

Àhndl

Màriàndl

 

(Mädchen)

Dim. zu Mann

Dim. zu Henne

Dim. zu Wanne

Dim. zu Kanne

Dim. zu Fahne

Dim. zu Brunn(en)

Dim. zu Bein (Knochen)

Dim. zu Stein

Dim. zu Horn

Dim. zu Korn

Dim. zu Stern

Dim. zu Schwein

Dim. zu Ahn, Ahne

Marianne (Koseform)

Ohne artikulatorische Rechtfertigung er­scheint -d- in be­stimm­ten Wörtern auch auf Ableitungen mit der erwei­terten Diminutiv-En­dung

-erl, übertragen:

Schweinderl

Weinderl

 

 

 

 

 

 

 

 

Dim. zu Schwein

Dim. zu Wein

 

 

 

 

 

§ 14

 

Konsonanten

 

14.1  Verschlusslaute (Plosive)

 

Hoch-

sprache

 

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

b

„b, bb“

 

p

„p, pp“

 

 

im An­laut

b

 

 

 

38

 

 

 

 

 

 

Der Unterschied zwischen b und p ist im Anlaut neutralisiert, d.h. es tritt für beide gleichermaßen der stimmlose und unbehauchte „Halb­fortis“-Konsonant (s. dazu § 5) ein; dies gilt auch für Ver­bindungen wie  bl/pl, br/pr, sp, spl, spr.

bintn

blòsn

brenă

Bleschl

bàssn

backă

Bädă

dăblèckă

Blòòz

Breiss

Šbiiz

Brooz

šbreechă

 

binden

blasen

brennen

(Zunge)

passen

packen

Peter

(verspotten)

Platz

Preuß(e)

Spitz (*Spitze)

(Kröte)

(Sprüche machen)

 

 

 

in Lenis-Silben (Typ I

in § 5):

 

Abhängig vom „Silbenschnitt“ (s. dazu § 6) tritt Schwächung (beim Silben­typ I) oder Schärfung (beim Silben­typ II) ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

im Auslaut

 

b

 

 

 

 

 

 

Gròb

Gòb

grob

gràb

Grab

Gabe

grob

(grau)

im

Inlaut

 

w

 

 

 

 

 

 

(m)

 

 

 

 

 

39

Liegt Silbentyp I (langer Vokal) vor, werden b und p zum Reibelaut w (Spirantisierung im Rahmen der Konsonanten­schwächung).

 

Lewă

Howĕ

Schnòwĕ

ă gèiwă

lewĕ

Làwă

schäwăn

grawĕn

gràwĕn

 

Leber

Hobel

Schnabel

ein gelber

lebe ich

Laub (Plural)

scheppern

krabbeln

(schimmeln)

 

40

Folgt ein n, tritt Lautangleichung ein, das b ist nicht mehr zu hören:

bn > m (Totalassimilation; siehe

auch § 13.3). Bair. šbeim, schneim liegt  speiben, schneiben zugrunde

(mhd. spîwen, snîen).

gem

glàm

drom

fà(r)m

šteam

gšbiim

geben

glauben

droben

färben

sterben

*gespien

in Fortis-Silben (Typ II in § 6):

im In- und Aus­laut

p

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

41

Liegt Silbentyp II  (kurzer Vokal) vor, wird der un­behauchte Stark­laut p (= bb) gesprochen.

 

 

 

 

Ein folgendes n wird assimiliert:

-pn > -pm.

rumpĕn

bumpăn

Kàmpĕ

Grippĕ

Bàpp, Bàppa

Dèpp

Glump

Opst

Suppm

Lampm

Štempm

koppm

 

 

rumpeln

pumpern (klopfen)

(Kamm)

Krüppel

*Papa

Depp

(Unrat)

Obst

Suppe

Lampe

(Pfahl, Pfosten)

(rülpsen)

d

„d, dd“

 

t

„t, th, tt“

 

im Anlaut

d

 

 

 

 

 

 

42

 

 

 

 

 

Die Konsonanten d und t werden im Anlaut und in den Verbindungen st, str gleichermaßen als stimmlose und unbehauchte „Halbfortes“ (s. dazu § 5) gesprochen.

 

 

Dorf, Doaf

Dorf, Doaf

Deifĕ

dròng

drent

deia, deirig

Dintn

Dàss

dreim

Drummĕ

Strizzi, Šdriizĕ

 

Dorf

Torf

Teufel

tragen

(drüben)

teuer

Tinte

Tasse

treiben

Trommel

(Gauner)

 

in Lenis-Silben (Typ I

in § 6)

im In- und Aus­laut

 

 

 

Abhängig vom „Silbenschnitt“ (s. dazu § 6) tritt Schwächung (beim Silben­typ I) oder Schärfung (beim Silben­typ II) ein.

Liegt Silbentyp I (langer Vokal) vor, erscheinen d und t gleicher­maßen als d (Konsonanten­schwächung).

 

 

 

heid

Leid

gscheid

miid

rod, roud

ă rodă, roudă

Hòdăn

weidă

Wedă

heute

Leute

gescheit

mit

rot

ein roter

Hadern (Lappen)

weiter

Wetter, (Gewitter)

(n)

 

 

(l)

 

 

 

43

 

 

 

 

 

 

Folgt ein n, tritt meist Laut­angle­ichung ein, das d oder t ist nicht mehr zu hören: dn, tn > n (Total­assimilation), ländlich teil­weise fină, gfună „finden, ge­fun­den“. – Auch an ein folgendes l kann angeglichen werden: dl, tl > l, ll.

 

 

reen

schnein

gschniin

schòòn, Schòòn

Schliin

bèlln

Bellmô

Gnell

Òòl

reden

schneiden

geschnitten

schaden, Schatten

Schlitten

betteln

Bettelmann

Knödel

(Jauche)

in Fortis-Silben (Typ II

in § 6)

im In- und Aus­laut

t

 

 

 

 

 

 

 

 

44

Liegt Silbentyp II  (kurzer Vokal) vor, wird der un­behauchte Stark­laut t (= dd) gesprochen.

 

Loattă

loatn

Bitt

bittn

bàttn

Hittn

unt, untn

bintn

Hent

Hunt

mèitn

Leiter

(lenken)

Bitte

bitten

beten

Hütte

unten

binden

Hände (auch Hand)

Hunde (Plural)

melden   

 

 

 

 

 

 

Hoch-

sprache

 

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

 

kl

gl, gel

kr

gr, ger

kn, gen

gef

gem

kw „qu“

gew

ks „x“

ges

usw.

 

 

im An­laut

 

gl

gr

gn

gm

gw

gs

gf

 

 

 

 

45

 

 

 

 

 

 

Der Unterschied zwischen g und k ist im gedeckten Anlaut, also bei

g + Konsonant und k + Konsonant, neutrali­siert, d.h. es tritt für beide gleichermaßen der stimmlose und unbehauchte „Halb­fortis“-Konso­nant (s. dazu § 5) ein; vor Vokal gilt diese Regel nicht.

Hochsprachlich geh- wird zu gh- und klingt damit genau so wie k in der Normaussprache.

Zu qu = gw siehe unten bei Nr. 61..

glei

Gleidl

glôâ

graislĕ

Greiz

gricht

Gricht

gnau, gnâû

Gnia

gnàrzn

Gmias

gwiis

Gwèin

Gsicht

Gsod

Xarĕ

gfuntn

 

gleich

Kleid (Dim.)

klein

gräuslich

Kreuz

gerichtet

Gericht

genau

Knie

(knarren)

Gemüse

gewiss

Quelle

Gesicht

(Häcksel)

Xaver

gefunden

 

k,

geh-

 

 

 

 

 

 

ch

gh = kh

 

46

Vor Vokal wird zwischen an­lautendem g und k unterschieden; letzteres tritt als behauchter Stark­laut (aspirierter Fortis-Plosiv).

Phonetisch gleich ist das Ergebnis

aus geh- nach Ausfall des unbe­tonten -e-.

 

 

Kind

Kirch, Kiachă

kàm

kemma

er kimmt

Kuchl, Kich

Kooch

ghoassn

 

Kind

Kirche

kaum; (er) käme

kommen

er kommt

Küche

Koch; (Mus)

geheißen

 

In Süddeutschland und in der Schweiz wird anlautendes ch in bestimmten Wörtern wie k

gesprochen – nicht als ch.

Kemie

Kina

Kinees

kinesisch

Keam-/Kiimsee

Kam

Chemie

China

Chinese

chinesisch

Chiemsee

Cham (Stadt)

ck

 

 

 

 

 

 

ck = gg

 

 

 

 

 

 

47

Im Silbeninneren erscheint k, ck als

unbehauchte Halbfortes (s. § 5). Der Unterschied zur Hochsprache besteht in der fehlenden Behau­chung: nicht Zuckher, zurückh , son­dern Zuckă, zruckh  = Zuggă, zrugg.

 

 

 

 

Dies gilt auch für die Lautverbin­dung nk in Fortissilben (s. dazu § 6).

Zuckă

druckă

Gockl, Gickăl

Buckl

Štickl

Hàckl, Hàckĕ

Hàckăl

Bàckăl, Bàckl

 

Zucker

(*drücken)

(Hahn)

Buckel (Rücken)

Stücklein

Hacke (Dim., Axt)

(*Häkchen)

(*Päckchen)

 

 

 

 

nk

 

 

 

 

 

 

ng

-gen

nk = ngg

 

links

Rankn

Glenk

blank

 

links

(Geländestufe)

Gelenk

blank

 

ng

 

 

48

In Lenissilben unterliegt nk der Kon­sonantenschwächung; es resultiert der Laut ng, für welchen es keinen eigenen Buchstaben gibt. Basisdialektal fallen „gesunken“ und „gesungen“ in der Lautform gsunga zusammen.

dengă

wingă

gwungă

gsungă

dringă

drungă

Bàngĕ, Bàng-gl

 

 

denken

winken

gewunken (*-winkt)

gesunken

trinken

getrunken

Bank (Dim.)

Im Konsonanten ng fallen hoch­sprachlich ng und -gen zusammen.

Zu beachten ist, dass auslautendes  ng niemals als ngk gesprochen wird („Wohnung, Ding“ – nicht aber „Wohnungk, Dingk“).

 

 

 

 

 

lengă

singă

glanga

Schwung

 

länger

singen

(*reichen)

Schwung

Reeng

Boong

fliang

ziang

 

Regen

Bogen

fliegen

(ziehen)

 

 

 

 

Angel

(Stengel)

Engel

Bengel (Prügel)

Folgt einem ng ein l, so kann, mehr oder weniger deutlich, ein -g- als Sprosskonsonant auf treten:

 ng + g + l > ng٠gl (vgl. -nl  > -ndl, § 13.4.3)

 

 

Ang٠gl

Šding٠gl

Eng٠gl

Beng٠gl

 

 

 

14.2  Reibelaute (Frikative, Spiranten)

 

 

Hoch-

sprache

 

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

 

s

ss

ß

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

s

ss

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

49

Im Silbenanlaut sind die s-Laute nicht nur  in den Dialekten, sondern auch in der regionalen Hoch­sprache grund­sätzlich stimmlos – im Gegensatz zur hochsprach­lichen (norddeut­schen) Norm: „singen,  sagen, Son­ne, gewesen, Amsel“ = ßingen, ßagen, ßonne, leeßen, Pinßl – im Dialekt: ßinga, ßòòng,  ßonn/­ßunn(a), leeßn, Bemsl. (Das Zei­chen ß wird  hier gesetzt, um den Unterschied zur Bühnenaus­sprache zu verdeutlichen.) Gespannte oder unge­spannte Arti­ku­lation hängt vom Silbenschnitt ab (s. dazu § 6). –

Eine Besonderheit ist der in fast ganz Altbayern übliche Ersatz von s durch h in mia hàn/hànd, ees heits/ hàts, sie mia hànd/hàn „wir sind, ihr seid, sie sind“. Auf diese Weise ent­steht das Minimalpaar mia håmmă – mia hàmmă „wir habenr – wir sind“. 

 

sèng

i siich, sèg, … Siach

Fuas (Fous)

Fiass (Fäiss)

Roos

Ressă

miassn (mäissn)

i muas

weissn

weisn

wissn

Wiis, Wiisn

reissn

reisn/roasn

blòòsn

blass

Gschloos

Gschlessl

Guus-eisn

 

sehen

ich sehe

(Tölpel)

Fuß

Füße

Ross

Rösser

müssen

ich muss

(*tünchen)

weisen (führen)

wissen

Wiese

reißen

reisen

blasen

blass

Schloss

(*Schlösschen)

Gusseisen

 

z

tz

 

 

 

 

 

z

(= ds)

zz

(= ts)

 

50

Die Affrikata z = ts kann ge­spannt oder ungespannt auftreten: als  tz = ts = zz (Fortis) bzw. z = ds (Lenis).

Sie kommt auch durch Assimilation der Artikelform die > d zustande. – Siehe dazu auch in § 15.

 

 

 

 

 

 

 

blitzn

Bliiz

rotzn

Rooz

Greizzl

Greiz

Fotzn

Fooz

zààch

Zàmperl

dSockă

dSau

dSèi

blitzen

Blitz

rotzen

Rotz

Kreuz (Dim.)

Kreuz

(Ohrfeige; Mund)

(Mund)

zäh

(kleiner Hund)

die Socken

die Sau

die Seele

sch

 

rs, rst

sp, sb

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

sch

 

51

Bei Verbindung mit anderen Kon­sonanten neigt das südliche Deutsch dazu, statt s den Laut sch = š zu sprechen – in Fortführung einer Entwicklung, die sich  in der Hoch­sprache nur  bei anlautendem sp (= šp), st (= št), schl, schm, schn, schr, schw durchgesetzt hat (mhd. spiln, stein, slange, smit, snîden, swimmen > špielen, Štein, Schlange, Schmied, schneiden, schwimmen), im Ober­deutschen jedoch viel weiter reicht: Im Schwäbischen heißt es fescht, du bisch „fest, du bist“; auch in Alt­bayern  wird sp, st häufig zu šp, št, auch über die Silbengrenze hinweg (s-b, s-d). In der Verbindung mit r tritt fast durchgängig š auf: rs, rst > rsch, rscht.

 

raišpăn

Rašpĕ

dHuaštn

Kašpă

Kàšpăl

Wirsching

Durscht

Wurscht

erštns

Birschtn

Foršt

Ferštă

Gerštn

Ferštn, Feršn

Augšburg

Rengšburg

Mošburg

Òmšberg

Àrnšdorf

 

 

räuspern

Raspel

*der Husten

Kaspar

Kasperl (*Kasperle)

Wirsing

Durst

Wurst

erstens

Bürste

Forst

Förster

Gerste

Ferse

Augsburg

Regensburg

Moosburg

Abensberg

Arnstorf

tsch

(=)

 

 

52

Die Affrikata tsch ist im Bairischen viel häufiger als in der Hoch­sprache. Sie kann ge­spannt oder ungespannt auftreten: als  tsch = tš (Fortis) bzw. dsch = dš (Lenis).

Sie kommt auch durch Assimilation der Artikelform die > d zustande. (Anlauten­des tsch wird niemals verein­facht zu sch). – Siehe dazu auch in § 15.

 

Tschinelln

dSchua

dSchui

dSchachtl

dScheissn

Britschn

Bidschn

Lädschn

Drudschăl

 

Tschinelle (Becken)

die Schuhe

die Schule

die Schachtel

(Durchfall)

(Vulva; böse Frau)

(Mildkanne)

(Mund; Gesicht)

(einfältiges Kind)

f

 

 

 

v

f

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

53

Vielfach wird geschriebenes v auch in Fremdwörtern als stimmloses f gesprochen. In Namen wie „Eva“ oder der Kurzform „Vroni (für Vero­nika)“ ein stimmhaftes labiodentales v zu artikulieren, wirkt affektiert. Karl Valentin legte großen Wert darauf, dass sein Name mit „F“ gesprochen wurde.

In „Klavier, Vase“  steht meist w (s. u. Nr. 60).

 

fintn

Aff

Ofă

offă

 

Froni, Vroni

Efa, Ef, Eva

Falĕ, Valentin

Nofembă

Sil-, Sui-, Säi-      festă

Festl, Feštl

 

finden

Affe

Ofen

offen

 

Veronika

Eva

Valentin

November

Silvester

 

(dgl. als Vorname)

pf

54

Die Affrikata pf kommt auch durch Assimilation der Artikelform die > d zustande (dFrau > pFrau). – Siehe dazu auch in § 15. Im In- und Aus­laut kann pf ge­spannt oder unge­spannt auftreten: als pf (Fortis) bzw. bf (Lenis).

  

 

Koobf

Kepf

Schluubf

schlupfă

Groobf

pFingă

pFotzn

pFeiăweă

Kopf

Köpfe

Schlupf

(*schlüpfen)

Kropf

die Finger

(Mund, Gesicht)

die Feuerwehr

ch

 

 

 

 

 

 

 

h

h

 

 

 

 

 

ch

 

 

55

In Lenissilben neigt ch zur ge­schwächten Aussprache, fast wie der Hauchlaut h, z.B. „lachen, kochen“ = laaha, kooha. – Zum Lautwechse h statt s siehe oben bei Nr. 49.

 

Wenn es sich bei einem sogenannten Dehnungs-h um ein etymologisch begründetes h handelt, wird ch gesprochen.

 

 

 

zààch

gààch

rauch

Dààchĕ

zechă

Zechăn

seichă

leichă

gliicha

Weich

gweicht

Schuach

rauch

 

zäh

jäh

rau (rauh)

(Dohle)

zehn

Zehe(n)

seihen

leihen

geliehen

Weihe

geweiht

Schuhe (Plural)

rau(h)

In bestimmten festen Zusammen­setzungen ist h verstummt: aussi, eini, fiari, owi; aussa, eina, fiara, owa usw. (< aus-, ein-, für-, ab-hin; aus-, ein-, für-, ab-her) „hin-aus,

 -ein, (nach vorn hin), hinab; her-aus, -ein, (nach vorn her), herab“.

 

 

 

 

 

 

 

14.3  Nasale, Liquiden, Halbvokale

 

 

Hoch-

sprache

 

Bairisch

Nr.

Erläuterungen

Beispiele

Bairisch

hochsprachliche

Entsprechungen

m

n

ng

m

n

ng

56

57

58

Zur Nasalierung bei n und m siehe oben § 12, zu m, n, ng als Ergebnis von Silbenschwund und Assimi­lation siehe oben § 4 und § 14.1 (Nr. 40, 43, 48).

 

 

l

 

 

l

 

 

59

 

 

Zur postvokalischen Vokalisierung siehe oben in § 11 (Nr. 18 – 23),

auch § 13.4.

 

 

r

 

 

 

 

 

 

r

 

 

 

 

 

 

60

Silbenanlautendes r wird über­wiegend als schwach gerolltes Zungen-r gesprochen. Daneben gilt auch Zäpfchen-r, nicht jedoch eine dem „ach-Laut“ angenäherte Artikulation.

Zur postvokalischen Vokalisierung siehe oben in § 11 (Nr. 24 – 27),

auch § 13.2.

 

 

w

v

 

 

 

 

w

 

 

 

 

 

61

Abweichend von der Hochlautung, die stimmhafte und labiodentale Aus­sprache vorsieht, wird das w im Bairischen als stimmloser bilabialer

Reibelaut artikuliert. Dies gilt auch für qu = gw, siehe oben Nr. 46. –

Zur Aussprache von v in Fremd- und Lehnwörtern siehe oben bei

Nr. 53.

 

 

j

ĭ

62

Abweichend von der Hochlautung, wo j als stimmhafter Reibelaut gesprochen wird, ist es im Bairischen ein nicht-silbisches ĭ, also eher ein Halbvokal als ein

Reibelaut. „Jäger, Jagd, Josef“ =

Ĭàgă, Ĭakt, Ĭosèf. Basismundartlich liegt bei „jeder, jemal(s)“ der Di­phthong ia (nordbair. äi) auf: ăn iadă, (ă) diamòi (ăn äidă, äiămòl); mhd. liegt der Zwielaut ie zugrunde, nicht aber je (ieder, iemal).

 

 

 

 

 

 

 

 

§ 15

 

Konsonantenverbindungen, Cluster, unbetontes -e

 

Über die aus der Hochsprache vertrauten Konsonantenverbindungen hinaus kennt das Bair­i­sche viele weitere, die auf den ersten Blick recht kurios anmuten (und irgendwie ans Tsche­chische er­­innern, wo es z.B. vokallose Wörter wie čvrtek „Donnerstag“ gibt, oder den Satz: Strč prst skrz krk.). Eine besonders reizvolle Häufung im Bairischen liegt mit „-chzggschpr-“ vor – in dieser volkstümlichen Verschriftung 10 Konsonanten-Buch­staben umfas­send, die im­mer­­hin 8 Phonemen entsprechen: [ç]+[t]+­[s]+[g]+[g]+[š]+[p]+[r]. Die­­ses „Clus­ter“ kommt vor in „60 gesprenkelte Eier“, bairisch sèchzg gschprenklde Oar. Die Ur­sache für das Zu­sam­mentreffen mehrerer Konsonanten liegt im lautgesetzlichen Ausfall von Vo­­ka­len in un­beton­ten Silben (Elision, vor allem e-Synkope; siehe dazu auch in § 4).

 

15.1

Die unbetonte Form des bestimmten Artikels „die“ ist ein bloßes d, das sich an den folgenden Kon­sonanten angleicht (Assimilation). Daraus resultieren Lautungen wie pf, ts (= z), tsch, z.B. pFrau, pFinga, pFeiawea, tSau, tSchui usw. („die Frau, Finger, Feuerwehr, Sau, Schule“, s.o. in § 14.2, Nr. 50, 52, 54).

 

15.2

 

ge- > g-

 

mhd. ze/ze-

 > z (= ts)

 

Gfui, Gfèi

gflong

Gfrett

Gsetz

gsund

Gsèischaft

Gsuach

gscheid

gschickt

Gschiiß

gschlòng

Gschlooß

gschmissn

gschmàckig

Gschmoass

gschniin

gschrian

gschwind

Gšpàss

gšpinnăd

Gšpusi

gšpreizt

gštantn

gštrààd

gštriichă

Gefühl

gefolgen

(Schererei)

Gesetz

gesund

Gesellschaft

Gesuch

gescheit

geschickt

(Schererei)

geschlagen

Schloss

geschmissen

(wohlschmeckend)

Geschmeiß

geschnitten

geschrien

geschwind

(*Spaß)

(verrückt)

(Geliebte/r)

gespreizt

gestanden

gestreut

gestrichen

zBassau

zbroad

zbled

zdeiă

zdruckă

zvui, zvèi

zFreising

zfriidn, pfrim

zgroß, zgrous

zlang

zleng

zmiad

znòs

zreissn

zruck

zsauă

zschòd

zgscheid

zšpäd

zgschlampăd

zwander

zwider

zzààch

zŠtraubing

zZolling

(in) Passau

zu breit

zu blöd

zu teuer

zu trocken

zu viel

(in) Freising

zufrieden

zu groß

zu lang

zerlegen

zu müd(e)

zu nass

zerreißen

zurück

zu sauer

zu schad(e)

zu gescheit

zu spät

zu schlampig

zu zweit

zuwider

zu zäh

(in) Straubing

(in) Zolling

 

Bei den Vorsilben ge- und z- (< mhd. ze, in der heutigen Schriftsprache: zer-) sowie bei  z in präpositionaler Verwendung (< mhd. ze, in der heutigen Schriftsprache: zu) fällt das e grund­sätzlich weg, es resultieren über die in der Hochsprache gängigen Verbindungen gl, gn, gr, qu = gw, x = gs, zw hinaus – die anlautenden Laut­ver­bin­dun­gen gf, gfl, gfr, gs, gsch, gschl, gschm, gschn, gschr, gschw, gšp, gšpl, gšpr, gšt, gštr sowie zb/zp, zbl/zpl, zbr/zpr, zd/zt, zf, zfl, zfr, zg/zk, zgl, zgr, zl, zm, zn, zs (=ts), zsch (= tsch), zgsch, zgschl, zgschm, zgschn, zgschr, zšp (= tschp), zšt (= tscht), zštr (= tštr), zz (= tsts).

 

15.3

Bei der Vorsilbe be- liegt der merkwürdige Fall vor, dass in dialektnaher Sprache die erwar­te­te Kürzung zu b- nur vor einem folgenden Zischlaut (s, sch) belegbar ist, und auch nur in be­stimm­ten Wörtern (Liste 15.3.1).

            Ansonsten sind Wör­ter mit dem Präfix be- in der Mundart nicht üblich (sie sind mit einem * ver­sehen). Lautungen wie *bmeaka, *voabreitn für „be­merken, vorbereiten“ sind undenkbar; da­für stehen andere Ausdrücke zur Verfügung (in der mit be­zeich­neten Spal­te in Liste 15.3.2).

 

15.3.1

 

be-s> bs…

be-sch> bsch…

 

bsondăs

besonders

bsuachă

besuchen

bsorng, bsoang

besorgen

Bsuach

Besuch

bsină

besinnen

bsuffă

besoffen

bsetzn

besetzen

bscheissn

bescheißen

bschòng

beschlagen (Hufe)

Bschoad

(Mitbringsel)

Bšteck

Besteck

bštèin

bestellen

bšteh

bestehen (= angesehen sein)

 

15.3.2

 

*

sich *beeilen

sich schicken

*befehlen

anschaffen, schaffen

*befeuchten

netzen

begreifen

kapieren, gneißen

*bekommen

kriegen

*belügen

anlügen

bemerken

spannen, gneißen

vor-, zu-bereiten

herrichten

*berichtigen

korrigieren

*berühren

anlangen

sich *besaufen

sich einen ansaufen

*beschneiden

zuschneiden, stutzen

besichtigen

anschauen

*besiegen

Herr werden

*besohlen

doppeln (Schuhe)

*besprechen

reden über, diskrieren

*besteigen

steigen auf

bestimmt

gewiss

*bestreichen

einstreichen

*betasten

anlangen, antappen

sich *betrinken

sich einen ansaufen

*betrügen

bescheißen, übers Ohr hauen

sich *bewegen

sich rühren

*beziehen

einziehen in (Wohnung)

*beziehen

überziehen (Sofa)

 

 

Das Adjektiv bsuffa ist geläufig, nicht jedoch das Verb *bsauffa; ähn­lich ist es bei Bschoad, wo­­zu weder das Verb noch das Adjektiv Dialektdeckung aufweisen. – Das häufige Verb „be­halten“ wird verkehrssprachlich bhòitn, bhoitn ausgesprochen. In den nord­bairischen Mund­arten ist Assimilation (bh > pf) eingetreten: pfoltn, in vielen mittel­bairischen Regionen er­scheint Präfixwechels (be- ersetzt durch ge-): ghòitn.

 

Werden hochsprachliche Wortbildungen mit be- in dialektnahe Rede übernommen, so gilt, was unten in § 15.5  ausgeführt wird.

 

 

15.4

Durch Wegfall von unbetontem -i- im Wortausgang der Zehner-Zahlwörter entstehen die Kon­sonanten-Cluster ssg, zg (= tsg), chzg (= chtsg):

dreissg „dreißig“

zwanzg, viazg, siwazg/sipzg, neinzg „zwanzig, vierzig, siebenzig/siebzig, neunzig“

fuchzg, sechzg, achzg „fünfzig, sechzig, achtzig“

 

 

15.5

Bei Wörtern, die aus der Hochsprache übernommen sind (quasi Entlehnungen), werden un­betonte e-Laute als relativ langes (geschlossenes oder offenes) e artikuliert (hier mit dem Zei­chen ē wieder­gegeben), nicht als reduziertes ö, wie in der Hoch­­­lautung vorgesehen. Demnach weisen Wör­ter wie „Gelegenheit, Beschwerde“ in der bai­rischen Verkehrssprache zwei bzw. drei in etwa glei­che e-Laute auf: Gēlēgnheid, Bēschwēadē. Weitere Beispiele: Bē­höadē, bēlēgdē Brodē, alles Gudē, bēstimmd, bēreits, bēfriedignd, bēschreibm („Behörde, be­legte Brote, alles Gute, be­stimmt, bereits, be­frie­digend, beschreiben“), ebenso alle Wörter in der mit * markierten Spal­te (Ta­bel­le 15.3) sowie viele andere mehr.

Während die Verbformen „ich bitte, ich danke“ im Bairischen lautgesetzlich als i bitt, i dank auftreten, fällt das aus­lautende -e bei formelhaft verwendetem Bitte oder Danke nicht weg. Auch diese Formen sind Entlehnungen aus der Hochsprache und werden meist bittē, dankē aus­­gespro­chen. Im Dia­lekt heißt es dafür: bittschee, biggò(r)schee, dankdăschee, dang­schee „bittschön, bittgarschön, dankdirschön, dank­­­schön“ usw.

 

 

 

zurück zur Lehrgangs-Seite

zurück zur Hauptseite

weiter zum nächsten Lehrgang
weiter zum Lautlehre-Übersicht
 

Seite zuletzt aktualisiert am 23. Feb. 2006