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Schreiben Sie Robert Sedlaczek!

Wir sind eine aussterbende Sprache

Alle zwei Wochen geht eine Sprache verloren.
Und damit auch kulturelle Vielfalt und uraltes Wissen.

Aufzählung Die Unesco hat den internationalen Tag der Muttersprache zum Anlass genommen, um an die schwindende sprachliche Vielfalt auf unserem Erdball zu erinnern. Heute werden weltweit 6000 Sprachen gesprochen. Laut Einschätzung der Unesco ist die Hälfte davon vom Aussterben bedroht. Rund 3000 Sprachen werden also am Ende dieses Jahrhunderts in Vergessenheit geraten sein. Alle zwei Wochen stirbt eine Sprache, und damit auch das mit ihr verbundene uralte Wissen, Redensarten, Scherze und vieles mehr. Jede Sprache bedeutet eine einzigartige Sichtweise, zeigt, wie eine Gesellschaft agiert und reagiert, welche Lebensphilosophien in ihr vorherrschen. Das Verschwinden einer Sprache bedeutet auch einen unwiederbringlichen Verlust von Kultur, Wissen und Wir-Gefühl.

Wissenschafter haben einen "Atlas der bedrohten Sprachen" ausgearbeitet und jene Sprachen oder Mundarten aufgezählt, die aussterben werden, wenn die jeweilige Gesellschaft nicht gegensteuert. In Österreich sind das nach Ansicht der Wissenschafter das Bairische, das Jiddische, das Burgenländisch-Kroatische, das Alemannische in Vorarlberg und das von Roma und Sinti gesprochene Romanes.

Dies bedeutet: Grosso modo sind wir alle eine aussterbende Sprache! An erster Stelle wird ja das Bairische genannt, das ist jene Mundart, die sich Bayern und Österreicher teilen. Das Wort wird mit -ai- geschrieben, nicht mit -ay-. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass jene Teile Bayerns gemeint sind, wo bairisch gesprochen wird – es gibt ja im Freistaat Bayern auch Gebiete, wo fränkische und schwäbische Dialekte beheimatet sind. Genauso wie Bayern stellt auch Österreich keine sprachliche Einheit dar. So wird ja in Vorarlberg alemannisch gesprochen.

Vor einiger Zeit haben Sprachwissenschafter auch den Ausdruck "österreichisches Deutsch" geprägt – manchmal auch mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben, also "Österreichisches Deutsch"; damit soll die Begrifflichkeit hervorgehoben werden. Sie verstehen darunter die standardsprachlichen Ausformungen innerhalb des österreichischen Staatsgebietes: von der "Marille" bis zum Wort "heuer", natürlich auch alle Begriffe der Amtssprache und der Küchensprache.

Nach meinem Gefühl gilt für das "österreichische Deutsch" dasselbe wie für das Bairische: es gerät ins Hintertreffen. Hier spielt auch der Aspekt eine Rolle, dass wir zur Peripherie des deutschen Sprachraums gehören. Es ist eine Binsenweisheit, dass die Eigenheiten eines Sprachzentrums weit ausstrahlen – bis an die Ränder des Sprachraums, zu denen wir gehören. Selbst bei koproduzierten TV-Krimis, die von ihrer Handlung her in Österreich angesiedelt sind, sprechen österreichische Schauspieler, die österreichische (!) Figuren darstellen, manchmal so, als kämen sie aus dem Zentrum: "Ich bin zur Berghütte hochgelaufen!" Das ist eine Form der sprachlichen Selbstzensur. Wie wenn man "hinaufgehen" anderswo nicht verstehen würde.

Egal, welches theoretische Konstrukt man wählt, um die sprachliche Entwicklung innerhalb Österreichs zu beschreiben: das auf Minderheitensprachen und Mundarten ausgerichtete Modell; das nationalstaatliche mit dem Kernbegriff "österreichisches Deutsch" oder das Zentrum-Peripherie-Modell: Wir alle sind bedroht! Es geht um unsere Sprache insgesamt. Was sich zurzeit abspielt, kann nur so beschrieben werden: Die Vielfalt wird eingeebnet, die Sprache verfällt.

 

Printausgabe vom Mittwoch, 23. Februar 2011
Online seit: Dienstag, 22. Februar 2011 19:34:00


Kommentare zum Artikel:

23.02.2011 20:39:24 Das Wort "heuer" ist allgemein oberdeutsch
Der Name "Marille" für die Frucht, die in Deutschland
"Aprikose" heißt, kommt umgangs- und standardsprachlich
tatsächlich nur in Österreich und in Südtirol vor, gilt also zu Recht als ein echter Austriazismus. Dagegen ist
"heuer" an Stelle der Zeitangabe "in diesem Jahr" oder "dieses Jahr" keine österreichische, sondern eine allgemein oberdeutsche – auch in Süddeutschland und in der Schweiz gebräuchliche – sprachliche Besonderheit. Dieses Wort stammt vom althochdeutschen "hiuru", einer Zusammensetzung von "hiu" und "jaru" ("in diesem Jahr").

(Robert Sedlaczek: Das österreichische Deutsch. Wien
2004, S. 238 u. 171; Jakob Ebner: Wie sagt man in Österreich? 4., völlig überarb. Aufl. Mannheim-Wien-Zürich 2009, S. 239 u. 173).
Dr. Anton Karl Mally
23.02.2011 16:42:21 Tarockierer-Einladung nach Schlesien
"Czechowice-Dziedzice ... (deutsch Czechowitz-Dzieditz, auch Czechowitz-Dziedzitz, 1943–1945: Tschechowitz) ist eine Industriestadt mit 35.000 Einwohnern im Powiat Bielski in der Woiwodschaft Schlesien, Polen.
...
Das Dorf Czechowice entstand zu Beginn des 14. Jahrhunderts
auf den Anhöhen südlich des Weichseltales im Zuge der deutschen Besiedlung des Beskidenvorlandes um Bielitz. Das ausgedehnte Waldhufendorf,das ursprünglich den Namen Chotowicz theutonicum (Deutsch Chotowicz) trug, wurde ab dem 15. Jahrhundert zunehmend von polnischsprachiger Bevölkerung besiedelt.

Die erste Erwähnung von Dziedzice stammt aus der gleichen Zeit. Das Dorf im Tal der Weichsel war eine kleine Siedlung mit polnischem Recht.
...
Czechowitz und Dzieditz liegen auf dem Gebiet des ehemaligen schlesischen Herzogtums Teschen. Politisch gehörten diese Orte seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Krone Böhmen, dann bis 1918 zum Kronland Österreichisch-Schlesien der Habsburgermonarchie. ...
1920 wurde der Ort ein Teil Polens.

... Im Jahre 1940 wurden beide Orte vereinigt ...
...
Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurde der Zusammenschluss beibehalten. ...
...
Die Stadt- und Landgemeinde Czechowice-Dziedzice umfasst ein Gebiet von 66 km², auf denen rund 43.000 Einwohner leben. Ihr gehören folgende Orte an:
. Bronów (Braunau)
. Czechowice-Dziedzice
. Ligota (Ellgot)
. Zabrzeg
. Renardowice (Rennersdorf)
..."
(Aus der Online-Enzyklopädie
"Wikipedia")




Dr. Anton Karl Mally
23.02.2011 11:55:57 Diesen Artikel sollten 8 Mio. Österreicher lesen
Das Schlimme ist, dass viele Österreicher bundesdeutsch sprechen und glauben, dass es österreichisches Deutsch ist. So wie dieses unsägliche T...-Wort beim Verabschieden.
Johann Drabek
23.02.2011 10:45:49 Tarock-Spiele
Dear Mr. Robert Sedlaczek, I`m happy to inform you about our project "Tarock - Game of identity. Championships.", we are about to accomplish next month. The place for it is Czechowice-Dziedzice community, especially Zabrzeg. In the name of organizators I would like to invite you and Mr. Wolfgang Mayr to visit Zabrzeg at 5 March 2011 as guests of the conference, which ends this project. Please, let me know your email address and I will send you more information. Best regards,
Blazej Budny
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