Ganz unten

Hier ruht die Sprachvielfalt

Alle zwei Wochen ein Sterbefall: Von den rund 6000 Sprachen auf der Welt ist die Hälfte bedroht. Auch Bairisch gehört dazu. Es gleicht ein wenig einer Kampfansage, was die Zeitschrift "Deutsche Sprache" anlässlich des gestrigen Welttages der Muttersprache gefordert hat: Weniger Englisch in der Schule, dafür mehr Sprachenvielfalt, gerne auch Latein. Denn, so die Meinung des Chefredakteurs Thomas Paulwitz: Der stiere Blick auf das Englische zerstöre andere Sprachen. Und überhaupt: Für den internationalen Austausch sei ein "Schmalspurenglisch" völlig ausreichend.

JULIA SCHOLLBACH

Ulm Allein ist er mit seiner These nicht: Auch die Unesco lässt alljährlich neue Schreckensmeldungen verlauten. Von den mehr als 6000 Sprachen weltweit ist die Hälfte vom Aussterben bedroht. Alle zwei Wochen stirbt eine Sprache ganz.

Nicht nur Sprachen auf fernen Inselstaaten wie Papua-Neuguinea (850 Sprachen bei 3,6 Millionen Einwohnern) stehen auf der roten Liste der Unesco. Auch die deutsche Sprachvielfalt ist gefährdet. Vielleicht wird in ferner Zukunft weder Sorbisch noch Moselfränkisch oder Bairisch zu hören sein. Stattdessen gewinnen das Chinesische, das Spanische und das Englische die Oberhand.

Schon jetzt sprechen Schätzungen zufolge mehr als eine Milliarde Menschen Englisch zumindest als Zweitsprache, rund 330 Millionen als Muttersprache. Das, so beschreiben es die Redakteure der "Deutschen Sprache", hat auch direkte Auswirkungen auf das Deutsche: Neue Gesetze in Tschechien und in der Slowakei beispielsweise schreiben nun Englisch als erste Fremdsprache ab der Grundschule vor - zum Nachteil der deutschen Sprache, die in beiden Ländern als Fremd- und Muttersprache eine lange Tradition hat.

Auch die deutsche Gesellschaft für bedrohte Sprachen kann bestürzende Zahlen nennen: So reichen derzeit für 50 Prozent der Weltbevölkerung ganze elf Sprachen aus, um sich zu verständigen. Und das, obwohl doch 6000 im Angebot stünden.

Könnte der 1930 verstorbene deutsche Sinologe Emil Krebs das hören, würde er sich vermutlich im Grabe umdrehen. Das Sprachgenie soll verschiedenen Quellen zufolge rund 68 Sprachen in Wort und Schrift beherrscht haben.

22.02.2011 - 07:30 Uhr | geändert: 22.02.2011 - 07:46 Uhr