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Dialekt-Wörter

Meldung vom 18.09.2009, 10:26 Uhr

 

„Die Mundart ist eine Bereicherung“

 

Ein Plädoyer für den Erhalt des Dialekts an den Schulen.

Jahrzehntelang wurde der Dialekt verachtet, galt als heruntergekommene, verderbte Form der Sprache. Eifrig hat man darüber diskutiert, inwieweit er eine „Sprachbarriere“ darstelle, die deren Sprecher am schulischen, beruflichen und wirtschaftlichen Erfolg hindert und weshalb es geraten sei, die Mundarten zu unterdrücken, um sie baldmöglichst verschwinden zu lassen. Jetzt erleben wir eine erstaunliche Kehrtwendung.

2006 verkündete der damalige bayerische Kultusminister Siegfried Schneider: „Die Mundart ist kein Manko, sie ist eine Bereicherung“. Dies ist freilich nur richtig unter der Voraussetzung, dass sowohl Dialekt als auch Standardsprache verfügbar sind. Nach Erkenntnissen der Hirnforschung bewirkt ein ständiges Hin- und Herwechseln zwischen zwei Sprachebenen (code switching) eine Aktivierung bestimmter Synapsen und fördert die Intelligenz.

Im Herbst 2004 veranstaltete der Bayerische Rundfunk den Wettbewerb „Mein liebstes bayerisches Wort“, zu dem mehr als 10000 Meldungen eingingen. Es gibt allerdings zu denken, dass die Einsender vielfach die ihnen vertrauten Ausdrücke gnadenlos ins Norddeutsche übersetzt haben – in der irrigen Meinung, dieses sei das bessere Deutsch. Da finden sich Wortgleichungen wie die folgenden: „Dotsch, Reiberdatschi“ = Reibekuchen, „Radltragen, Radltruchen, Rawérn“ = Schubkarre, „Rotzlöffel, Rotzbippen“ = frecher Junge, freche Göre, „Scherzl“ = Kanten, „Loawedoag“ = Brötchenteig, „dantschig“ = knuddelig, putzig, „pfundig“ = toll, „Ratschkathl“ = Quasselstrippe, „Britschn, Britschhaferl, Verklaghaferl“ = Petze, „luren“ = kucken, „Pfiat di“ = Tschüss.

Angaben dieser Art offenbaren, wie schwach ausgeprägt das Selbstbewusstsein der Bayern ist. Aufschlussreich sind auch Angaben wie diese: „Droad, ein auf dem Land noch gebräuchlicher anderer Ausdruck für Getreide“. Es verrät mangelndes Sprachwissen, wenn man nicht durchschaut, dass „Droad“ (nordbair. „Droid“) nichts anderes ist als die ganz normale lautgesetzliche Entsprechung für schriftdeutsch „Getreide“. Die mundartliche Form erklärt sich wie folgt: 1. Wegfall der beiden unbetonten e-Laute: „getreide“ wird zu „gtreid“; 2. Assimilation: „gtr“ wird zu „tr“; 3. Konsonantenschwächung: „tr“ wird zu „dr“; 4. nach einem bairischen Lautgesetz wird „(altes) ei“ zu „oa bzw. oi“.

Erklärtes Ziel der Dialekt-Serie in der MZ ist es, Kenntnisse zu vermitteln, Wissen zu verbreiten über die heimatliche Mundart, die wir schätzen und lieben. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass die Mundartkompetenz in der jungen Generation auf einen kläglichen Rest zusammengeschrumpft ist, und zwar nicht etwa deshalb, weil sich die überregionale Hoch- und Schriftsprache in höherem Maße durchsetzen würde. Nein, ein modisches „Neusprech“ ist es, das die bodenständige Muttersprache unterwandert, überwuchert und erstickt. Das „andere Deutsch“ breitet sich in beängstigendem Umfang aus. Mit „Tschüss, kucken, lecker, kross, proppenvoll, Brötchen, nee, nich“ sei dies nur angedeutet.

Viele Einheimische sind der irrigen Meinung, Wörter wie „Semmel, Knödel, Stadel, Schupfe(n), Hafner, Spengler, Weiher“ seien kein richtiges Hochdeutsch. Sie glauben, der entstehende bundesweite Einheitsslang sei besser als das „bairische Deutsch“ und sagen lieber „Kuck mal“ als „Da schau her“. In immer bedenklicherem Maße greift das „Tschüssler-Deutsch“ um sich, das „Sprachbiotop Altbayern“ droht auszutrocknen. Vielleicht gelingt es ja, manche Wörter und Wendungen, gewisse Lautungen und grammatische Eigenheiten vor dem Verschwinden zu bewahren. Die Mundarten verdienen Schutz und Pflege als Kulturgut, als unverzichtbarer Wert der Heimat. Um den Kindern die Chance einer „inneren Mehrsprachigkeit“ zu bieten, sollten Eltern und Erzieher den Dialekt mit Selbstverständlichkeit gebrauchen, damit auch in Zukunft beide Sprachebenen verfügbar bleiben.



 
 
Auch in der Schule sollte mehr Wert auf Mundart gelegt werden.Foto: dpa
Auch in der Schule sollte mehr Wert auf Mundart gelegt werden.Foto: dpa
 

 
   

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