Das Unterdorf wird sprachlich helvetisiert

Strassenschilder immer häufiger in Mundart

Wer an einem «Wäg» und nicht an einem Weg wohnt, ist sicher im Fällander Unterdorf daheim. Strassen werden dort auf Mundart benannt.

Gabriela Frischknecht

Die Umzugsanzeige macht den durchschnittlichen Schweizer Sprachbenützer stutzig. Der Kartenabsender gibt nämlich an, bald einmal am «Unterdorfwäg» zu wohnen. Ein Tippfehler im Umzugsstress? Mitnichten! Insbesondere im Fällander Unterdorf häufen sich die Helvetismen am Strassenrand. Während man an der Maurstrasse noch profan in den Kehrweg abbiegt, reihen sich im neu überbauten Dorfteil die Toktergass neben Eichwiswäg, Sunnewäg oder Dorfgass.

Zwitterformen sind gang und gäbe

Doch die Einschweizerung der Strassennamen ist nicht überall vollständig durchgezogen. So stösst man beim Studieren des Übersichtsplanes der Gemeinde Fällanden auf Zwitterformen aus Standarddeutsch und Mundart wie etwa den Gartenwäg oder den bereits erwähnten Unterdorfwäg. An der Sunnetalstrasse ist das gleichnamige Alterszentrum beheimatet, der Flurname jenes Gebietes ist im Plan jedoch eindeutig als Sunnental aufgeführt.


«Diese Namen sind mit dem Quartierplan vergeben worden», sagt dazu Sven Hegi, Abteilungsleiter Planung und Bau der Gemeinde Fällanden. Die in neuerer Zeit erfolgten Benennungen seien grundsätzlich mit Anlehnung ans Schweizerdeutsche erfolgt.
Noch vor fünfzig Jahren hielt man genau diese Anlehnung für sprachlich unschön. Eine amtliche Weisung aus dem Jahre 1948 verlangte, dass Strassennamen «grundsätzlich in enger Anlehnung an die Standardsprache geschrieben werden sollen».



 

Bezeichnungen mit «-wäg» oder «-strass» seien zu vermeiden. Daran hielten sich im letzten Jahrhundert auch namhafte Kartografen, wie etwa ETH-Professor Eduard Imhof: «Jede Vermischung von Mundart und Schriftsprache muss dem sprachlich geschulten Kartenbenützer unsympathisch sein», schrieb Imhof 1947 im Heft «Geographica Helvetica», war sich aber gleichzeitig bewusst, dass es «ein tragischer Irrtum wäre, zu glauben, dass sprachliche Einheit in der Plan- und Kartenbeschriftung der deutschen Schweiz überhaupt erreichbar sei».

«Lautnahere Mundart» ist erlaubt

Weniger streng beurteilt der Leitfaden «Toponymie» von 2006 die Lage und lässt eine lautnahere Mundart zu. Demnach sind auch schweizerdeutsche Formen wie «-bärg», «-fäld» oder «-wäg» zugelassen. Dieser Leitfaden schlägt aber auch die Weglassung des stummen -n vor. Somit wäre es denkbar, dass Fällanden schriftsprachlich zu «Fällande» mutieren könnte.


Knapp 170 Jahre hielt sich in der Deutschschweiz die strenge Trennung von Schriftsprache und Mundart. Diese erfolgte 1830 mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Das Standarddeutsch galt dabei als «sozial höhere Variante», die Mundart als «Nähesprache». Verschiedene Mundartwellen im letzten Jahrhundert und das Aufkommen von Kommunikationsformen wie SMS und E-Mail weichten diese Grenzen auf. Schweizer Sprachwissenschafter stellten fest, dass der Schriftverkehr immer mehr in Mundart erfolgt. Ein Umstand, der nun offenbar auch bei Strassenbenennungen um sich greift.


Dass bald einmal alle Wege in Fällanden zu einem «Wäg» werden, schliesst Sven Hegi übrigens aus. Eine Vereinheitlichung strebe man derzeit nicht an. «Der Aufwand wäre auch viel zu gross.»

© Copyright by ZO-Online - 28.02.2008