Bayern-Nachrichten

02.07.2007 12:08 Uhr
Ist Dialekt für Modeladen zu ordinär?
Ingolstadt - Mea Brosinger (25) hat ein sonniges Gemüt. Sie ist eine junge Frau, deren gute Laune sich sofort auf ihre Mitmenschen überträgt. Dazu spricht die Ingolstädterin ein elegantes Bairisch, das auch Norddeutsche problemlos verstehen dürften. Sie gilt bei Kollegen als freundlich, bescheiden, unaufdringlich. Kurz: eine Verkäuferin, wie man sie sich wünscht. Doch nicht alle sehen das so.
 



In dem Modegeschäft, in dem Mea arbeitet, ist es üblich, dass ein anonymer Test\-einkäufer kommt. Der überprüft quasi inkognito die Arbeitsleistung, das Auftreten. So ein Einkäufer nennt sich in der Branche „Mystery Shopper”, und das gibt dem Ganzen etwas Geheimnisvolles, eben was Mysteriöses.

In diesem Fall war der Test\-einkäufer eine Frau. Als die getarnte Kundin in den Laden kam, hatte Mea eigentlich schon bei der Begrüßung verloren. „Grüß Gott, derf i eana helfa?” Das waren zwei Fehler in einem Satz: Dialekt und das Wort helfen, denn helfen lassen sich Kunden grundsätzlich nicht, sondern sie lassen sich etwas zeigen. Jedenfalls erhielt Mea Brosinger folgende Wertung vom „Mystery Shopper”: „Sehr ordinärer bayerischer Dialekt.”

Bayerischer Dialekt fände die 25-Jährige ja noch ganz okay. Aber ordinär? „Ich bin doch kein dahergelaufener Trampel”, wehrt sie sich. „Seit wann ist denn ein ,Grüß Gott‘ ordinär? Wir sind doch in Oberbayern, da ist doch bairisch nicht ordinär! Ich kann ja perfekt hochdeutsch, ich dachte mir halt, dass die Kundschaft lieber bairisch hört.”

Harri Deiner vom Förderverein für Bairische Sprache und Dialekte, kennt Mea Brosinger selbst als „kompetent, gepflegt und freundlich”. Deswegen schrieb er gleich einen Brief, als er von der schlechten Note hörte. In diesem urteilt er über die „Geheim-Kundin”: „Offensichtlich ist die Einkäuferin nicht fähig, Nuancen unserer Sprache zu definieren. So kann sie nicht unterscheiden zwischen freundlichem, heimatlich gefärbtem Ausdruck in der Sprache und ordinärer Ausdruckweise, die nichts mit Dialekt zu tun hat.”

Dass Dialekt kein Hindernis für eine Karriere sein muss, sieht man bei Mea Brosinger. In dem Laden, in dem sie die negative Bewertung bekam, arbeitet sie nicht mehr. Sie fängt demnächst in einem anderen Modegeschäft an ­ in höherer Position. \x14mc

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