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Drucken 10.11.2004   17:23 Uhr

Bayerisch in der Post unerwünscht

A Fümfafuchzger bleibt a Fümfafuchzger

Warum ein Postangestellter am Schalter weiter Bairisch spricht, obwohl sich eine Sächsin darüber beschwert.
Interview: Rudolf Neumaier

 
 
Postschalter

Bitte nicht auf Bairisch, Herr Postbeamte!
Foto: dpa

 

Als Schalterbeamter bei der Post muss man sich ja allerhand anhören. Aber das, was Wolfgang R., 46, widerfahren ist, ist wirklich bitter: Eine Kundin aus der sächsischen Stadt Wilsdruff hat sich schriftlich bei der Deutschen Post AG über den Postler von der Färbergraben-Filiale beschwert, weil er Bairisch spricht. Die Post wies die Beschwerde zurück. Weil er unliebsame Anrufe fürchtet, will Wolfgang R. seinen Namen abgekürzt haben.

SZ: Wie war das mit dieser Frau, die sich beschwert hat?

Herr R.: Mei, de is zu mir an den Schalter kommen, und ich hab sie begrüßt, ganz normal halt. Grüß Gott, hab ich gsagt, und da war sie schon sauer, die Dame. Und dann wollt s', dass i mein Kollegen aus der Pause hol. Hab i aber net gmacht.

SZ: Versteh ich das richtig, Sie haben nicht mal Rindviech gesagt, und die Frau war schon beleidigt?



» Ich soll gfälligst Schriftdeutsch mit ihr redn, hat sie gsagt. «

Herr R.: Wegn meim bairischen Dialekt. Ich soll gfälligst Schriftdeutsch mit ihr redn, hat sie gsagt. Da hab i dann aber schon klar gemacht, dass i in meine Zunge koan Knotn machen werd. Des geht nicht. Und des sig i auch gar ned ein. Dann is de Dame abgerauscht.

SZ: So Bairisch reden Sie jetzt auch wieder nicht. Sie sagen "auch" statt "aa". Das ist eher gepflegtes Münchnerisch.

Herr R.: Des findt mein Chef auch. Der hat mich dann angrufen und gsagt: Ich verstehe Sie ohne Probleme.

SZ: Sie könnten wahrscheinlich noch ein bisschen Bairischer reden, oder?

Herr R.: I komm aus der Oberpfalz, aus Cham. Wenn i so redn tät in München, des kannt i da praktisch ned bringen. Des tät auch gar ned zur Mentalität von dera Stadt passen.

SZ: Hatten Sie schon mal sprachliche Probleme mit Kunden?



» Bei der Wende hab ich das Begrüßungsgeld an die Ostdeutschen auszahlt. «

Herr R.: Naa. Gar keine Probleme. Mit der Stammkundschaft scho überhaupt ned. Und auch ned mit den internationalen Kunden. Ich hab ja auch Amerikaner und Italiener.

Ich arbeit seit 1989 am Schalter, bei der Wende hab ich das Begrüßungsgeld an die Ostdeutschen auszahlt. Dass sich amal eine Frau aus Sachsen beschwert, damit hab i ned gerechnet. Außerdem hamma sächsische Kolleginnen, die auch "Grüß Gott" sagen.

SZ: Wäre doch traurig, wenn man nicht mehr "Griaß God" sagen dürfte.

Herr R.: Traurig? Traurig is mehr auf der Welt. Aber schön is des bestimmt ned, dass die bairische Sprach ausstirbt. I bin etz kein Lokalpatriot oder so ein Kini-Verehrer, dass S' mich richtig verstehn. Aber a bisserl bairische Lebensart und Freiheit muss doch möglich sein.

SZ: Glauben Sie, dass Ihr Chef verfügt, dass Sie nicht mehr reden dürfen, wie Ihnen Ihr Schnabel gewachsen ist?

Herr R.: Naa. Aber der hat der Beschwerde natürlich nachgehn müssn.

SZ: Und wie geht's weiter, sagen Sie in Zukunft "Guten Tag" zur Kundschaft?

Herr R.: Naa, sag ich nicht. Tschüss auch nicht. Und ein Briefmarkerl bleibt ein Briefmarkerl, da müsst ich mich schon gscheit verbiegen, wenn ich Postwertzeichen sagen würde.

SZ: Versteht ja wohl auch jeder, wenn Sie "Fümfafuchzger" zur Briefmarke sagt.

Herr R.: Freilich, ich verlang halt Fümfafuchzig. Bei internationalen Kunden zeig ich's mit den Fingern oder schreib's ihnen auf.

(SZ vom 11.11.2004)


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