FÖRDERVEREIN BAIRISCHE SPRACHE UND DIALEKTE e. V.


 

Auf geht's, Lehrer, trau Di!

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Bericht über ein Referat der Sprachwissenschaftlerin Dr. Birgit Hogger, München, zum Thema "Schadet der Dialekt der schulischen Entwicklung?".

Der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte informierte bei seinem Stammtisch am Mittwoch, 29. Oktober, im Garmischer Bräustüberl über das Thema: "Schadet der Dialekt der schulischen Entwicklung?" Pädagogen, Schülereltern, Kindergärtnerinnen und Gäste waren eingeladen und hatten Gelegenheit, ein sehr interessantes Referat der Sprachwissenschaftlerin Dr. Birgit Hogger, München, zu hören und didaktische wie methodische Anregungen zu erhalten.

Die Auseinandersetzung mit dem Dialekt, so die Referentin, fördere die Entwicklung einer kulturellen Identität, diene der Gemütsbildung und sei vor allem sprachlern- und sprachentwicklungsfördernd. Ihrer Meinung nach habe der Lehrer die Aufgabe, als Medium für die Schriftsprache zu dienen. Deshalb sei die Unterrichtssprache Hochdeutsch. Im informellen Gespräch mit dem dialektsprechenden Schüler sollte er aber auch den Dialekt gebrauchen. Zur Frage: "Kann Dialektgebrauch schaden?" führte Frau Dr. Hogger aus: Es ist zu beobachten, daß der Dialekt im Sprachgebrauch immer mehr durch die Hochsprache zurückgedrängt wird. So noch Dialekt gesprochen wird, wird dieser immer mehr "verhochdeutscht", leider auch in Unkenntnis der Unterscheidungsmerkmale "vernorddeutscht'.

In den Familien geht der Dialektgebrauch (insbesondere in Bayern) auch deswegen zurück, weil die Angst besteht, er könnte sich in der Schule als Sprach- und Bildungsbarriere auswirken. Diese Angst impliziert in der Regel die Sichtweise, der Dialekt sei eine minderwertige Variante der Hochsprache, die den Zugang zur Hochsprache versperre. Aus wissenschaftlicher Sicht läßt sich beides widerlegen.

Der Dialekt ist keine minderwertige Variante der Hochsprache. Er ist überhaupt keine Variante der Hochsprache, sondern ein vollwertiges, differenziertes Sprachsystem, das auf allen sprachlichen Ebenen eine regelhafte Strukturierung aufweist und strukturell und funktional alle linguistischen Kriterien von Sprache erfüllt (siehe Merkle, Bairische Grammatik, und das Bairische Wörterbuch von Schmeller. Neu: Zehetner/Bairisches Deutsch).

Beherrscht also ein Kind einen Dialekt, so ist es im Besitz einer vollwertigen differenzierten Sprache, die den Weg zum Hoch- bzw. Schriftdeutschen nicht versperrt. Eine "intersprachliche Verständigung" zwischen Sprechern des Dialekts und der Hochsprache oder zwischen Sprechern verschiedener Dialekte ist möglich. Schließlich kommen ja auch Kinder aus rein dialektsprechenden Familien von Anfang an häufig genug mit dem Hochdeutschen in Berührung, z.B. durch Geschichten aus guten Kinderbüchern und natürlich auch - freilich mit den bekannten Ausnahmen! - durch das Fernsehen. Aus den genannten Gründen kann also der Dialektgebrauch nicht schaden.

Nicht erst in der Schule, sondern bereits im Kindergarten ist eine sprachpädagogische Arbeit mit dem Dialekt möglich. Das Kindergartenkind befindet sich in seiner kognitiven und sprachlichen Entwicklung in einer sehr dynamischen Phase. Im sprachlichen Bereich kommt vor allem die Metasprachentwicklung in Schwung. Das Metasprachverhalten (Metasprache dient dazu, z. B. eine andere Sprache zu beschreiben) äußert sich bei den Kindern in Fragen zu Sprache, Kommentieren von Sprachverhalten, Fremd- und Selbstkorrekturen.

Als hohe metasprachliche Leistung gilt die Silbensegmentierung, die im Alter von zirka vier Jahren beginnt. Kontrastive Arbeit, verbunden mit Reimspielereien und jeder Art von sprachrhythmischen Spielen, kann die Metasprachentwicklung in dieser Phase entscheidend vorantreiben. Methodisch bieten sich hier Reimspielereien in Form von Verserln und lustigen Sprüchen an:

A Ox und a Kua. A Madl und a Bua.

A Gockl und a Henn ham wacklige Zähn.

 Ein Endivien is a Andive. Eine Zwiebel is a Zwieve.

A oids Haus is a Hiawan. Die Bayern san mia am liawan.

Ergänzend zur sprachpädagogischen Arbeit mit dem Dialekt könnte nach Meinung der Sprachwissenschaftlerin im Hinblick auf die Entwicklung der kulturellen Identität und der Gemütsbildung ein heimat- und volkskundlicher Unterricht sehr förderlich sein, in dem man sich mit Sprachgut, Liedgut, Tänzen, Volkskunst und Brauchtum auseinandersetzt. Denn Sprache sollte nicht isoliert von ihrem kulturellen Kontext betrachtet werden. Gar nicht wissenschaftlich, sondern fröhlich und ihre Zuhörer ermunternd, feixte Frau Dr. Hogger abschließend:

"Auf geht's, Lehrer, trau Di! Des gibt bestimmt a Gaudi."

Georg Köberich


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