11. Jan 2009, 17:26 Uhr
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Die große (Streit-)Frage: Wie bairisch ist eigentlich München?

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  • Foto: Mike Schmalz
Wachsendes Heimatbewusstsein ist „in“ und Dialekt auf dem Vormarsch – auch im Millionendorf an der Isar. Auch wenn manche Oberlandler die Münchner gar nicht richtig ernst nehmen.
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MÜNCHEN  -  Im Rest Oberbayerns werden die Münchner gerne als „Isar-Preißn“ verunglimpft. Als Schicki-Micki-Städter, die des Bairischen so gar nicht mächtig sind. Eine Behauptung, die Münchner Urgesteinen die Zornesröte ins Gesicht treibt. Wie bairisch ist die Isar-Metropole denn nun? Eine Bestandsaufnahme.

„München ist am wenigsten bairisch in Bayern. Das muss man so feststellen“, findet Thomas Hummel (26), Stadtrat der Bayernpartei. Eine Großstadt eben. Die Zahlen sprechen für sich: 23,5 Prozent aller Münchner sind Ausländer – „Zuagroaste“ aus anderen Teilen Deutschlands nicht mit eingerechnet. Unabhängig davon kritisiert Hummel: „München hat das Lokal-Kolorit zu wenig gepflegt.“

Dabei ist das Münchnerische ohnehin ein vergleichsweise „zahmer“ Dialekt. Horst Münzinger (47) ist ein Münchner Kindl. Er wuchs in Neuhausen auf, ging in Ramersdorf zur Schule, trägt einen Janker, ist Mitglied im „Förderverein Bairische Sprache und Dialekte“ und spricht – natürlich – Bairisch. Doch schon wenn er nach Lenggries fährt, kann es zu Verständigungsproblemen kommen. „Wenn die da a Festl feiern, dann muaß ma schon genau hinhorcha, um alles zu verstehn.“

Ein Phänomen, das auch der Münchner Kabarettist Christian Springer kennt. Wenn er mit seinen Kollegen Michael Altinger (geboren in Landshut) und Monika Gruber (geboren im Landkreis Erding) zusammenarbeite, brächten die beiden häufiger Begriffe ins Spiel, die er nicht kenne. Da sind die Diskussionen programmiert: „Wenn ich eich scho ned versteh, wer soll eich dann versteh?“

"Münchnerisch ist geschmeidiger"

"Müncherisch ist nicht so derb": Dialekt-Liebhaber Horst Münzinger.
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Foto: Gregor Feindt

Können die Münchner also gar kein echtes Bairisch? Protest vom Fachmann des „Förderverein Bairische Sprache“: Ein echter Münchner spreche nicht weniger Dialekt als jemand aus dem Oberland, beteuert Horst Münzinger. Aber eben einen anderen. „Das Münchnerische ist einfach nur gschmeidiger. Ein bisserl angepasster. Nicht so derb.“ Seine Erklärung dafür: Als im Zuge der Industrialisierung immer mehr Menschen aus dem Umland nach München strömten, einigten sie sich auf den kleinsten gemeinsamen Sprach-Nenner. Regionaltypische Begriffe wurden rausgeschliffen. Das Münchnerische war geboren. Und das erlebt – wie das Bairische insgesamt – gerade eine Renaissance.

Das Bairische boomt. Nicht erst seit Marcus H. Rosenmüllers Erfolgs-Filmen. Nicht erst seit Claudia Koreck mit Musik in Mundart die Hitparaden gestürmt hat. Heimatbewusstsein ist „in“. Die Bayernpartei hat ihre ganz eigene Statistik, um diesen Trend zu belegen: Die Hälfte ihrer 270 Münchner Mitglieder ist mittlerweile jünger als 30.

Warum? Die Erklärung liegt für Viele auf der Hand. Gerade in Zeiten der Globalisierung gibt es „eine Sehnsucht, sich zu verankern“ – so drückt es die Monacensia-Leiterin Elisabeth Tworek aus. Sie moderierte am Sonntag ein launiges Gespräch zwischen den Kabarettisten Ottfried Fischer und Christian Springer über das Münchnerische. Der Besucherandrang in der Monacensia war so groß, dass zahlreiche Gäste stehen mussten.

"Wer soll eich dann versteh": Kabarettist Christian Springer.
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Foto: Petra Schramek

„Das Beheimatetsein in der Sprache hat neues Selbstbewusstsein erlangt“, weiß auch Bayerns neuer Kultusminister Ludwig Spaenle. Und fordert: In der Schule dürfe niemand wegen seines Dialekts schlechter bewertet werden. Dabei haben in der Vergangenheit viele Münchner die Erfahrung gemacht, dass ihnen das Bairische in der Schule ganz verboten wurde. Stadtrat Hummel erinnert sich: „Dialekt is schee, aber des is was für dahoam“, habe ihm ein Lehrer mit auf den Weg gegeben.

Im Unterricht wird der Dialekt "bewusst behandelt"

Und heute? „Wir sollten im Unterricht schon eine Sprache sprechen, die allen gut zugänglich ist“, sagt Waltraud Lucic vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). „Aber der normale Münchner Dialekt ist kein Dialekt, den man sonst nicht versteht.“ In Liedern oder Gedichten werde das Thema Brauchtum teils auch ganz bewusst behandelt.

Recht so, wird wohl auch Bayern-Botschafter Ottfried Fischer, der im Bayerischen Wald geboren wurde, finden. Sein Appell vom Sonntag: „Wir müssen dafür sorgen, dass Thorben und Reiko im Sandkasten auch Bairisch reden und verstehn.“ Das Bairische, das habe eine so schöne Melodie, dass man eigentlich Noten dazu schreiben müsse.

Bei den Isar-Preißn in München. Genauso wie in der „Provinz“.

Julia Lenders

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