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03. Juli 2008
 

heute-Nachrichten

 
Handy - SMS. [M] Quelle: dpa,ZDF
Auf Bayerisch sind die SMS oft kürzer als auf Hochdeutsch.

Bei SMS ist
Bayerisch Kult

Kurz-Nachrichten bescheren dem Dialekt ein Comeback

von Brigitte Saar

Bayerisch galt bei Jugendlichen lange als provinziell und uncool. Jetzt erlebt der Dialekt in SMS ein Revival - er ist einfach kürzer als Hochdeutsch. Die einst als Sprachzerstörer gescholtenen Kurz-Botschaften werden als Retter der Mundart gefeiert.

 
 
 

"Hob di liab" steht da in breitestem Bayerisch auf dem Handy-Display, und die 14-Jährige Alexandra lächelt. Der Text stammt von ihrem Freund. Nie kämen die zwei auf die Idee "Ich liebe Dich" zu schreiben. Doch in Mundart ist die Botschaft perfekt - superschnell zu tippen und viel persönlicher als auf Hochdeutsch.

Doch kein Niedergang der Dialekte?

Dabei galt Mundart bei den Teenies lange Zeit als provinziell, "mega-out" und allenfalls fürs Treffen des Trachtenvereins angebracht. Sprachforscher prophezeiten gar den Niedergang der Dialekte, noch zwei, drei Generationen - dann würden alle einen Einheitsdeutschbrei von sich geben. Doch jetzt erlebt der Dialekt einen unerwarteten Aufschwung, zumindest bei den Jugendlichen in Bayern. Der Grund: SMS und Instant Messaging auf dem Computer. Denn außer Schulaufsätzen schreiben die Kids heute fast nur noch Texte auf der Handy-Tastatur und dem PC - und das immer öfter in Mundart.

Ist das Bayerische dem Hochdeutschen also tatsächlich überlegen? In gewisser Weise schon. Die Gründe sind so banal wie plausibel: Wer auf Bayerisch tippt, ist schneller fertig - und genau darum geht es ja beim Instant Messaging oder im Chat. "Jugendliche haben intuitiv erkannt, dass Bayerisch schneller zu schreiben ist", sagt Sepp Obermeier vom Förderverein Bayerische Sprache und Dialekte in Niederbayern und der Oberpfalz.

Der Dialekt kommt fast immer mit weniger Buchstaben aus - ein Satz in Mundart ist also schneller versendet als in korrekter Hochsprache. Ein Beispiel: "Des gems da ned", auf Hochdeutsch "Das geben sie Dir nicht", braucht nur 15 statt 23 Anschläge, das entspricht einer Ersparnis von 29 Prozent.

Bayerische SMS spart Geld

Zwar ist die Zeitersparnis beim SMS-Tippen im Vergleich zum Hochdeutschen nicht der Rede wert, schon allein, weil viele Dialektworte nicht in den Verzeichnissen der automatischen Texterkennungsprogramme vorkommen. Aber: Auf Bayerisch bekommt man mehr Inhalt in einer SMS unter, und das drückt gerade bei längeren Textbotschaften die Kosten.

Heinz-Peter Meidinger ist der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes und gleichzeitig Direktor des Robert-Koch-Gymnasiums in Deggendorf. Seine Fünft- bis Siebtklässler verfassen ihre SMS und Instant-Messaging-Texte inzwischen fast ausschließlich auf Bayerisch. "Es ist eine Chance, den Dialekt zu retten", sagt er. Mundart in neuem Gewand, modern, cool, jung - eine Möglichkeit, sich von "den Erwachsenen" und ihren steifen Hochdeutsch-Texten abzugrenzen. "Bayerisch auf dem Computer zu schreiben ist für viele Schüler nun mal interessanter, als einen Maibaum aufzustellen", meint auch der Münchner Sprachforscher Bernhard Stör.

München ist die Ausnahme

In der Großstadt findet der neue Mundart-Boom seine Grenzen. Dort gebe es oft gar keinen einheitlichen Dialekt mehr und damit auch keine gemeinsame Jugendsprache in Mundart, so Meidinger. Auf dem Land aber könnte die Jugend vielleicht bald inbrünstiger Bayerisch sprechen als ihre Eltern - dem Handy und dem Computer sei Dank.