In dem Traktat hatte der
pensionierte Lehrer Valentin Erl die Abneigung damit erklärt, dass
im bairischen Dialekt das «ü» weitgehend zu «i» geworden sei und man
deshalb etwa Strimpf statt Strümpfe und Schissl statt Schüssel sage.
Doch neben viel Zustimmung erntete Erl zum Teil auch heftigen
Widerspruch. Natürlich könnten auch die Bayern ein wunderschönes «ü»
sagen, erklärte Hans Triebel vom Förderverein Bairische Sprache und
Dialekte: «Kinna deama scho, grod meng deama ned» («Können tun wir
es schon, aber mögen tun wir nicht»).
Schulmeister Erl aus dem niederbayerischen Pfarrkirchen hatte
erklärt: «Der Bayer spitzt seinen Mund höchstens zum Trinken oder
zum Bussln, nicht aber um ein "ü" zu sprechen.» Die Sprachstudie des
66-Jährigen bezieht sich auf Altbayern - also Oberbayern,
Niederbayern und die Oberpfalz, wo der bairische Dialekt -
allerdings zum Teil mit regionalen Unterschieden - gesprochen wird.
Nach Ansicht von Frank Skasa-Weiß aus Ohlstadt dagegen «kennt der
Bayer das "ü" in allen Variationen sehr wohl». In einem Leserbrief
an den «Münchner Merkur» schrieb Skasa-Weiß: «Ich erinnere an Wörter
wie Würschtl, Schürhackl, drüm (drüben), rüber, Lüngerl,
fünf...zünftig, Plumeau, Schützen, Kruzitürken und so weiter.»
Doch da widerspricht Triebel und pocht aufs «i»: Im echten
Dialekt heiße es Lingerl statt Lüngerl und fimf statt fünf. Das
gelte zumindest auf dem Land. In den Städten werde in Annäherung an
das Hochdeutsche aber zum Teil auch schon Lüngerl gesagt, erklärt
Triebel. Er begrüßt die breite Debatte zu Erls Aufsatz, die in
Leserbriefen an die Zeitungen und im Internet geführt wird. Die
Diskussion zeige ein großes Interesse am heimischen Dialekt, freut
sich Vereinsvorsitzender Triebel. Gerade die Leserbriefe seien für
diese Debatte ein hervorragendes Forum.
Schützenhilfe bekam Triebel von Martin Fichtner: «Wenn bei uns
einer Würschtl will, dann sagt er Wiaschdl, und der Schürhackl ist
ein Schiahackl.» Der Leserbriefschreiber aus Bad Heilbrunn erklärte
weiter: «Rüber und nüber, drüm und herüm ist vielleicht ein Import,
bei uns sagt man immer noch rumm und numm oder endd und
herendd...Ebenso ist es zimfde, wenn der Schitz Gruzedirggn sagt
(«Ebenso ist es zünftig, wenn der Schütze Kruzitürken sagt»). Die
Älteren haben fimf Finger an der Hand und keine fünf.»
Ein Fragezeichen hinter einem durchgehenden bairischen «i» machte
dagegen Erich Friedl aus Ebersberg: «Wenn der Herr Pfarrer Hübner
mit den Gläubigen die Fürbitte und das Gegrüßet-seist-Du-Maria
betet, stünde es wahrlich nicht gut an, wenn ich sagen würde: Unser
Herr Pfarrer Hibner hat die Firbitte und ein Gegriset-seist-Du-Maria
gebetet.»
Auf die feinen Unterschiede komme es an, kontert Schulmeister
Erl. Er sei zum Teil missverstanden, zum Teil auch unvollständig
zitiert worden. Natürlich werde bei einigen Begriffen wie Prüfung,
Künstler oder Gülle, aber auch Namen wie Müller oder Hübner das «ü»
andeutungsweise gesprochen - jedoch aus der Kehle, von hinten heraus
und «anders als im Bühnendeutsch» ohne gespitze Lippen. Eigentlich
sei das im Bairischen eine Mischung aus «ü» und «i».
Breite Zustimmung findet Erl mit seinem Appell, das Tschüs -
anders als die Schwaben mit ihrem Tschüsle - auf keinen Fall als
Tschis, Tschias oder Tscheas ans Bairische anzupassen. Dann sollte
man, wenns schon kein Servus oder Pfia Gott sein soll, lieber Ciao
sagen, findet Triebel. Das komme lautmalerisch dem Bairischen eher
entgegen, zudem habe sich Bayern immer schon eher nach Süden als
nach Norden orientiert. |