Geleitwort zu Bairisch gredt

 

Leider gibt es hierzulande Eltern, die es nicht ungern sehen, wenn ihre Kinder, vom Umfeld verleitet, norddeutsch plappern, wobei sie auch noch Hochdeutsch mit nee- und nich-Slang verwechseln. Sie erliegen dem Irrglauben, daß ihre Sprößlinge zunächst in der Schule und später auch im Beruf damit größere Chancen hätten. Auch wird Hochdeutsch nur allzugern mit sozialer Aufwertung gleichgesetzt. Wer Mundart spricht, lernt indes mühelos auch die Hochsprache. Deutschlands größter Dichter Johann Wolfgang von Goethe hat Zeit seines Lebens seinen hessischen Dialekt beibehalten, Deutschlands erster Bundespräsiden Heuss schwäbelte angenehm, Roman Herzog, Bundespräsident a.D., ist stets anzuhören, daß er Bayer ist.

Heimat, das ist nicht nur Elternhaus, Land der Kindheit, Einbezogensein in vertraute Umwelt, auch Rhythmus und Klang der Sprache gehören dazu. Wer darauf verzichtet, macht sie ärmer und kälter, schneidet die Wurzeln zur Vergangenheit ab, untergräbt unser Selbstverständnis, unsere Identität. Wenn die bairische Sprache verstummt, ist Bayern zwar immer noch auf der Landkarte präsent, aber unsere Bayern wird es nicht mehr sein.

Es wäre wünschenswert, daß sich von Höfers „Lektionen“ auch Kulturpolitiker, Medien-Macher, Pädagogen und nicht zuletzt Kindergärtnerinnen angesprochen fühlen. Das Buch zeigt zwar, welchen Reichtum an Ausdruck und Vielfalt das Bairische auch heute noch hat, macht aber auch deutlich, was wir allein im Lauf der letzten Jahrzehnte alles verloren haben. Vieles, was den Alten auf dem Dorf noch wohlvertraut ist, Kindern und Enkeln in der Stadt ist es längst entglitten. Und die bange Frage mag erlaubt sein: Wie wird es in weiteren fünfzig Jahren ausschauen, wie mag sich das Bairisch, selbst auf dem Dorf, dann anhören? Wird dann vielleicht dieses Buch mit Erstaunen und Bestürzung gelesen werden? Noch können und wollen wir es nicht glauben!

Sprache hat sich zu allen Zeiten gewandelt, sonst würden wir heute noch wie in Tassilos Tagen sprechen. Aber die Schübe erfolgten langsam und behutsam. Was heute droht, ist nicht nur rapider Substanzverlust, sondern die Umlautung unserer Mundart, der ein neues, fremdes Tongefälle überstülpt wird. Höfer redet übrigens nicht einem Universal-Bairisch das Wort, sonder fordert Respekt und Pflege der lokalen Eigenheiten, die sich oft schon von Ort zu Ort, von Tal zu Tal ändern, bis sie sich im Westen zum Schwäbischen-Alemannischen, im Norden zum Fränkischen färben.

 

Auszug aus dem Geleitwort von Herbert Schneider.

 

 

Bairisch gredt
Höfer, Johann, Nachdr. 1998
200 S., 33 Abb. - 12,5 x 20 cm. - Gebunden
ISBN 3-00-000284-7

 


 

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